Wege und Ziele einer internationalen Regelung.
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nationalen Schiedsgerichtsbarkeit, auch den Wirtschaftsfrieden
in sein Programm aufgenommen (Europas elfte Stunde 62, 103).
Eine vielleicht noch kräftigere Förderung wird das Streben nach einer
internationalen Ordnung durch den Sozialismus erfahren. Wie bereits
mehrfach ausgefuhrt wurde, ist die aggressive Tendenz des wirtschaftlichen
Imperialismus insbesondere durch den Einfluß des Großkapitalis
mus auf die auswärtige Politik hervorgerufen worden. Der Kommentar
des Mindestprogramms verweist darauf, daß das heutige System der
„geschlossenen Tür“ nur einer beschränkten Zahl von wenig zahlreichen
Gruppen zugute komme. Für die überseeischen Unternehmungen, be
sonders die Erlangung von Konzessionen zum Bahnbau, war die Stellung
beträchtlicher Kapitalien erforderlich. Die Leiter dieser Unternehmungen
sind bedeutende Männer, die die Tagespresse beeinflussen können und die
an hohen Orten bis in die Kanzleien der Regierungen hinein ihre Be
ziehungen haben. Ihre Geschäftsinteressen lassen sich leicht als inter
nationale Interessen darstellen, ja sogar als wesentliche Staatsinteressen.
So wird die Diplomatie hineingezogen und man sieht oft, wie eine ein
fache Geschäftsrivalität zwischen Kapitalisten, die
zwei verschiedenen Staaten angehören, eine Meinungsverschiedenheit
zwischen den Staaten hervorruft, die für ihre Staatsangehörigen Partei
ergreifen. In Wirklichkeit ist es nur eine Täuschung, zu glauben, daß
es sich hier um internationale Interessen handelt (Kommentar 21). Die
Gemeingefährlichkeit des Wirtschaftskrieges wird von den sozialdemo
kratischen Parteien in beiden Lagern des Weltkrieges bereits erkannt.
Das Manifest der britischen Labour Party vom 23. November 1918 (Hol
ländische Nachrichten 2, 2474) erklärt sich gegen jede Art von Wirt
schaftskrieg („absolutely against any form of economic war“); ebenso
empfiehlt das Schreiben der österreichischen Abgeordneten Ellen bogen
und Seitz an Troelstra (Holländische Nachrichten 2, 1310) die
Vermeidung des Wirtschaftskrieges. Von hervorragenden sozialistischen
Schriftstellern hat Kautsky die imperialistische Kolonialpolitik treffend
gekennzeichnet (Sozialismus und Kolonialpolitik 18, 28, 34).
In dritter Reihe dürfte für das schließliche Zustandekommen einer
internationalen Regelung die Naturbedingtheit des internationalen
Güteraustausches wirksam werden. Dieser ist im erheblichen Umfange
durch den Naturreichtum der einzelnen Volkswirtschaften bedingt
(H a r m s, Sicherungen 68). Der Versand von Rohstoffen und Lebens
mitteln aus den Tropen- und Agrarländern in die Industriestaaten ist
ebenso elementar notwendig, wie die Ausfuhr von industriellen Fabrikaten
dieser in jene Gebiete (Eulenburg, Möglichkeiten 18). Dazu kommt
noch, daß das geographische Moment der Nachbarschaft und das
wirtschaftliche des natürlichen und billigsten Handelsweges die inter
nationalen Wasserstraßen des Festlandes und die internationale Ver