Full text: Der Wirtschaftskampf der Völker und seine internationale Regelung

Der Imperialismus der übrigexi Weltmächte. 
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als ausgesprochener Agrarstaat mit geringer Industrie haben durch den 
Dualismus nach innen und den Schutzzoll nach außen ihre wirtschaftlichen 
Bedürfnisse wechselseitig zu befriedigen verstanden. Auf dem Weltmärkte 
war Österreich-Ungarn nur durch hochwertige Luxuswaren, nicht wie 
Deutschland durch Massenartikel vertreten (G runtzel, Wirtschafts 
politik 15). Nur im Zucker gingen zwei Drittel der Produktion nach aus 
wärts, besonders nach England. Der Agrarschutz durch Einfuhrzölle ist 
bis auf etwa 25% des Wertes der Ware gesteigert worden, und die Vieh 
einfuhr aus Serbien nicht nur durch Zölle gehemmt, sondern durch 
veterinärpolizeiliche Maßnahmen geradezu gesperrt worden. Durch das 
System der Ausfuhrprämien für Zucker hatte sich Österreich-Ungarn 
bis zur Brüsseler Zuckerkonvention vom 5. März 1902 an dieser bereits 
damals als verwerflich erkannten Art der wirtschaftlichen Ausdehnung 
beteiligt. Trotzdem ist die wirtschaftliche Produktion in Österreich 
infolge der Umwandlung vieler Bauernwirtschaften in Jagdgründe und 
infolge der veralteten Dreifelderwirtschaft oder der Egartenwirtschaft in 
den Alpenländern, des Mangels an ausreichendem natürlichem Dünger, 
und des geringfügigen Gebrauches von Kunstdünger nicht entsprechend 
gestiegen. Während des Weltkrieges hat Ungarn die freie Agrarausfuhr 
nach Österreich fast ganz gesperrt; dies wurde um so empfindlicher, als 
die Industrialisierung im Jahrzehnt von 1904—1914 sehr starke Fort 
schritte gemacht hatte (Stolper, Archiv für Sozialwissenschaft und 
Sozialpolitik 1916, 43, 178). Der Welthandel Österreich-Ungarns war 
im letzten Jahrzehnt vor Ausbruch des Weltkrieges nur um 50 %; der 
Deutschlands um 83 %, der Italiens um 78 %, der Englands um 52 %, 
der Frankreichs und Rußlands um je 62 % gestiegen (E u 1 e n b u r g, 
Möglichkeiten 116). Auch in der Industrie besteht keineswegs ausreichende 
Selbstversorgung; in wichtigen Massenartikeln ist Österreich auf die 
Einfuhr angewiesen, so in manchen Textilwaren, in Maschinen, chemischen 
Produkten u. a. 
Man hat daher diesen Zustand materieller Selbstversorgung als 
die Ursache des mangelnden Expansionstriebes bei einer Großmacht 
bezeichnet, die keine Kolonien und nur geringen Warenumsatz hat 
(K j eilen, Großmächte 9). Dennoch hatte Österreich-Ungarn im be 
schränkten Rahmen seiner Orientpolitik eine teils selbständige, teils von 
Deutschland beeinflußte wirtschaftlich-politische Ausdehnung versucht. 
Teils als Entschädigung für die Einbußen der habsburgischen Hausmacht 
in den Jahren 1859 und 1866, teils im Verfolge seiner historischen Mission 
der Kulturvermittlung zwischen Morgen- und Abendland (Sieger, 
Grundlagen 6 und 45) hatte Österreich-Ungarn beim Berliner Kongreß 
von 1878 den europäischen Auftrag zur Besetzung und Verwaltung von 
Bosnien und Herzegowina erhalten. Daß eine Beschränkung auf die reine 
Kulturmission von Anfang an nicht geplant war, geht sowohl aus dem
	        
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