Dir Imperialismus der übrigen Weltmäolite.
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Vereinigte Staaten von Amerika.
Der Imperialismus der Vereinigten Staaten vonAmerika
hat bald die politischen, bald die wirtschaftlichen Ziele mehr in den Vorder^
grund gestellt und trägt nach außen die Züge einer Weltniission für Völker
freiheit und Völkergleiohheit; ja, die Intervention zu deren Gunsten wird
schließlich geradezu zum Ausfluß einer sittlichen Pflicht und Verant
wortlichkeit („responsibility“).
Bereits George W ashington riet in seinem politischen Testamente
von 1796 dem amerikanischen Volke, in seinen auswärtigen Beziehungen
das Hauptgewicht auf Handelsverbindungen zu legen und „um
garnende politische Bündnisse“ zu meiden. Die Monroedoktrin nach der
Botschaft von 1823 ist in ihrer ursprünglichen Fassung nur ein Ausbau
dieser Politik des Ausschlusses europäischer Einmischung in die Freiheit
und Unabhängigkeit der Staaten der amerikanischen Kontinente
(Strupp, Urkunden 1, 175). Sie wendet sich ihrem Wortlaute nach
(I. Abschnitt, § 7) nur gegen neue europäische Kolonisationen; sie will
unmittelbar nur die Gefahr des Übergreifens der russischen Expansion von
Alaska nach Oregon und eine Intervention der Heiligen Allianz zugunsten
spanischer Ansprüche in Mexiko verhindern. Es ist aber bezeichnend,
daß sie (II. Abschnitt, §§ 48 und 49) auch die Ausdehnung des poli
tischen Systems der europäischen Mächte auf irgendeinen Teil des
amerikanischen Kontinents ablehnt. Den Kern dieser Systeme aber er
blickt sie in der Absicht „der Unterdrückung oder anderweitigen Kontrolle
der von den Vereinigten Staaten in ihrer Unabhängigkeit anerkannten
Freistaaten“. Die Botschaft Monroes erklärt das politische System
der Allianz als wesentlich von dem von Amerika verschieden. An diesen
Grundgedanken hat Wilsons Eingreifen im Weltkriege angeknüpft.
Als Vorläufer des wirtschaftlichen Imperialismus wird man auch
m den Vereinigten Staaten den Hochschutzzoll nach dem Mac-
Kinley-Tarif von 1890 ansprechen können. Er hat den europäischen
Wettbewerb trotz der vorübergehenden Herabsetzung unter Cleve
land schließlich im Dingleytarif von 1897 empfindlich getroffen. Auf
diesen Protektionismus geht zu einem Teile die enorme Entwicklung
der amerikanischen Industrie zurück. Der Prozentsatz der Ausfuhr an
Fabrikswaren betrug in der Union im Jahre 1890 nur 6,17 %, stieg
aber im Jahre 1900 auf 16,03 %. Der Prozentsatz sank in England
von 51,81 % auf 41,19 %, in Frankreich von 17,82 % auf 15,62 %; nur
in Deutschland stieg er in der gleichen Periode von 24,20 % auf 27,13 %
(Wirth, Weltgeschichte 353). Die Kohlenerzeugung Nordamerikas
ist in der Zeit von 1870—1909 besonders augenfällig gestiegen (von
33 Millionen Tonnen auf 321 Millionen Tonnen), mehr als die Englands und
Deutschlands. Im Jahre 1903 erzeugte die Union mehr Stahl als England,