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Industrie eine schwere Schädigung erleiden könnten?) Gleichzeitig
wurden von anderen Seiten Bedenken geäußert, daß durch die
wachsende Verbreitung von Saccharin als Ersatz sür Zucker der
menschlichen Ernährung wichtige Nährstoffe entzogen würden und
die Ernährung der Massen eine Einbuße erleiden könnte. Wenn auch
entgegen allen Mitteilungen über angeblich gesundheitsschädliche
Wirkungen des Saccharins wiederholt einwandfrei die vollständige
Unschädlichkeit dieses Süßstoffs festgestellt wurde, so schien es doch aus
den anderen oben angeführten Gründen, zu denen auch Gründe steuer-
technischer Natur getreten sein mögen, erwünscht, den Verbrauch des
Saccharins gewissen Einschränkungen zu unterwerfen. Durch Reichs
gesetz vom 6. Juli 1898 wurde der Verbrauch von Saccharin sür
Deutschland zunächst eingeschränkt und für Bier, Wein, Fruchtsüfte,
Konserven, Liköre, Zuckersäfte und Fruchtsäste überhaupt, für
andere Nahrungsmittel ohne Deklaration verboten. Durch ein
neues Süßstoffgesetz vom 7. Juli 1902 wurde die Verwendung künst
licher Süßstoffe, einschließlich Saccharin, sür Nahrungsmittel, mit
Ausnahme der für Krankenernährung bestimmten, vollständig ver
boten und der Verkauf ausschließlich den Apotheken übertragen. Zur
Erleichterung der Überwachung wurde die Herstellung nur der Fabrik
von Fahlberg L List in Westerhüsen bei Magdeburg erlaubt und den
übrigen Fabriken eine Abfindungssumme bezahlt.
Durch Bekanntmachung, betreffend die Änderung des Süßstoff
gesetzes vom 7. Juli 1902, vom 30. März 1916 wurde der Reichs
kanzler ermächtigt, Ausnahmen von den Vorschriften des § 2 des
Süßstoffgesetzes vom 7. Juli 1902 zuzulassen. Durch § 2 des Süß
stoffgesetzes vom 7. Juli 1902 war es verboten:
a) Süßstoff herzustellen oder Süßstoff Nahrungs- oder Genuß-
. Mitteln bei deren gewerblicher Herstellung zuzusetzen;
b) Süßstoff oder süßstoffhaltige Nahrungs- oder Genußmittel
aus dem Auslande einzuführen;
c) Süßstoff oder süßstoffhaltige Nahrungs- oder Genußmittel
feilzuhalten oder zu verkaufen.
. Die durch das Süßstoffgesetz vom 7. Juli 1902 dem Bundesrat
erteilte Ermächtigung, für die Herstellung und Einführung von
Süßstoff die Ermächtigung einem oder mehreren Gewerbetreibenden
st Daß durch die Freigabe von Saccharin eine Einschränkung des Zucker
verbrauches der Bevölkerung nicht unbedingt zu erwarten ist, hat sich in der
Schweiz gezeigt. Obwohl dort Saccharin zum Verkauf freigegeben ist,
betrug der durchschnittliche Zuckerverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung
im Jahre 1913/11 32,22 kg Rohwert, also über 11 kg mehr als zu gleicher
Zeit in Deutschland.