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heranwachsende Jugend und ihr Vaterland vor neuen Fehlern und
Erschütterungen zu bewahren. Le Play selbst ersah daraus die
Schwierigkeit richtiger Beurteilung aller dieser Fragen; wir werden
später sehen, welche Schlüsse er daraus zog.
Die für ein Kind sehr ernste Lebensweise in Paris wurde all
jährlich durch einen Sommeraufenthalt auf dem Lande unterbrochen.
Hier wurde Le Play wieder Kind; er half den Landarbeitern, den
Jägern und Fischern bei ihren verschiedenen Verrichtungen; bei
den Gärtnern trieb er seine ersten botanischen Studien.
So fand ich mich, ohne jedes festgesetzte System, in eine Menge von
Begriffen eingeführt, die es mir viel später erlaubten, diesen Arbeiten bei der
Untersuchung der ländlichen und gewerblichen Hierarchien ihren richtigen
Platz anzuweisen.
Im Jahre 1815 starb der Onkel Le Play’s, und der jetzt neunjährige
Knabe kehrte nach Honfleur zurück. Mittlerweile war Friede ge
worden, und die Bevölkerung hatte ihre alten Gewohnheiten und
Beschäftigungen wieder aufgenommen. Die Religion gab ihr Ab
lenkung und Trost bei ihrem rauhen und gefährlichen Beruf. Die
nächsten 7 Jahre (1815—1822) brachte Le Play wieder inmitten
dieser Fischerbevölkerung zu, in enger Anteilnahme an ihren Leiden
und Freuden. Die Revolution hatte in seiner Heimat keine große
Wirkung gehabt.
Die Familien der Häusler, Bauern und Großgrundbesitzer waren durch
die Gesetze der „Terreur“ noch nicht aufgelöst; sie bewahrten in ihren Hütten
mit den alten Sitten zugleich die Gewohnheiten der ständischen Unterordnung
und der Einigkeit, die sich an den Ufern der Nord- und Ostsee noch länger
erhalten haben.
Aus den Erzählungen älterer Leute, die das ancien regime noch ge
kannt hatten, lernte er die Zeit vor der Revolution kennen und
fand bestätigt, was „der weiseste seiner Pariser Lehrer“ (der „Gent
leman“) ihn gelehrt hatte: daß die Korruption der herrschenden
Klassen, hervorgehend aus dem Geiste der Irreligiosität, die Haupt
ursache der Revolution gewesen war.
Neben diesen Studien praktischer Lebenserfahrung und Lebens
auffassung vernachlässigte Le Play die Wissenschaften nicht. Er
besuchte das Gymnasium zu Havre und beschäftigte sich mit Cicero
und Tacitus; in dem Werke des letzteren über die Germanen suchte
er besonders die Stellen heraus, die die Hochachtung seiner Pariser
Lehrer für die zeitgenössischen Deutschen rechtfertigten. Ein alter
Geistlicher vervollständigte seine religiöse Erziehung. Den Abschluß