Full text: Die oberschlesische Kohlen- u. Eisenindustrie

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Diese Zollsteigerungen zu verhindern wird der Handels 
politik des Deutschen Reiches um so eher möglich sein, als die 
Monarchie zu dem Deutschen Reich in engstem politischen Bünd 
nis steht. Politische Freundschaft ist mit einer feindlichen Wirt 
schaftspolitik unvereinbar. Naturgemäß müßten' dann auch die 
deutschen Agrarzölle Österreich-Ungarn gegenüber ermäßigt 
werden. Dies würde für die deutsche Landwirtschaft keine 
bedeutenden Folgen nach sich ziehen, da die Struktur der öster 
reichisch-ungarischen Agrarverhältnisse sich von der der deutschen 
Landwirtschaft heute kaum mehr unterscheidet, sodaß jedenfalls 
die deutsche Landwirtschaft den österreichisch-ungarischen Agrar 
import nickt zu fürchten braucht^). 
Von den in Hinsicht auf Eisenindustrieprodukte als Hinter 
land der Donaumonarchie anzusprechenden Balkanstaaten kon 
zentriert sich das oberschlesische Eisenindustrieinteresse auf den 
fortgeschrittensten Staat Rumänien^). 
Rumänien besitzt weder Steinkohlen noch Eisenerze, wird 
also in diesen Materialien stets auf den ausländischen Import 
angewiesen sein. Als Lieferant kam bisher hauptsächlich Ober 
schlesien in Frage, das jedoch in den letzten Jahren in Roheisen 
und Grobstahlprodukten von den geographisch günstiger gele 
genen Eisenindustrien Südrußlands, dessen Eisenexport, wie 
wir sahen stark wächst, und Österreich-Ungarns fast gänzlich ver 
drängt worden ist. Dagegen herrschen die feineren und Spezial 
eisenprodukte Oberschlesiens nach wie vor auf dem rumänischen 
wie auch auf den anderen Valkanmärkten vor. Berücksichtigt 
man die enorme Entwicklungsfähigkeit der jungen rumäni 
schen Volkswirtschaft, so ergeben sich die besten Exportaussichten 
für die oberschlesischen Fein- und Spezialeisenprodukte. Auch 
hier wird die deutsche Handelspolitik dafür sorgen müssen, daß 
die Zollmauern für die deutschen Eisenprodukte möglichst niedrig 
gehalten werden. 
Von größter Bedeutung sowohl für die Eisenausfuhr nach 
Österreich-Ungarn wie nach den Balkanländern wird der schon 
Ende der 1860er Jahre projektierte aber immer noch nicht 
1) Grunzet, S. 73 ff. 
2) s. ct. M. Ströll, S. 62 ff.
	        
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