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Begleitwort.
durchaus anderen Hergang nimmt, als in der Naturwissenschaft. Die
ganze Methodologie des „Idealtypus“ gründet sich ja letzten Endes
auf die besondere Eigenart des „Stoffes der Sozialwissenschaft“!
So sucht auch den Rückhalt an „Tatsachen“ zwar jegliche Er
fahrungswissenschaft, in der einen nicht anders wie in der anderen
Gruppe. Aber jener tiefe Gegensatz im Stoff des erfahrungswissen
schaftlichen Erkennens schneidet schroff auch in die Welt der Tatsachen
ein. Es führt der gegensätzliche Modus der Erfahrung unabwendbar
dazu, daß die Wirklichkeit da und dort ganz anders zu Tatsachen ein
gedacht und verbucht wird. „Tatsache“ heißt es da wie dort, aber
vom „Faktum“ scheidet sich grundwesentlich das „Datum“: Die Sozial
wissenschaft hat „Fakten“ geistig zu bewältigen, die Naturwissenschaft
„Daten“. Damit verknüpft es sich auch, und gerade dies ist von
höchster Wichtigkeit, daß unsere Wissenschaften das letzte Ziel der
Erkenntnis ganz wo anders suchen müssen als die Naturwissenschaft.
Nur in der Naturwissenschaft spricht sich das letzte Wort der Erkenntnis
im „Naturgesetz“ aus. Aber wahnhaft hält man daran fest, daß ein
Gleiches auch bei uns gälte. In Wahrheit ist es von einer sehr
minderen Erkenntniswürde, was sich bei uns als „Gesetz“ brüstet. Wo
aus bloßer Durchzählung Regelmäßigkeit der Zahlen hervorgeht, wie
etwa bei der Zahl der jährlichen Selbstmorde und Verbrechen, da ist
von einem Zusammenhang im Geiste des „Gesetzes“ überhaupt keine
Rede; hier bestätigt sich nur schlecht und recht der Wahrscheinlich
keitskalkül in der großen Zahl des Durchgezählten. Aber selbst das
vielberufene Zusammentreffen etwa der Bewegung von Getreidepreis
und Heiratsziffer, auch das läßt doch nichts in der Art eines Natur
gesetzes „begreifen“, als ein Mittel der Erkenntnis, es will umgekehrt
seinerseits „verstanden“ sein und nichts fällt auch leichter als diesen
Zusammenhang zu „verstehen“. Ähnlich liegt es bei den Zusammen
hängen, die aus Zwang der Vernunft weben und sich aus dem an
schaulich Erlebten unmittelbar, und so auch „idealtypisch“ generell
aufgreifen lassen. In bündiger Fassung ausgesagt, ergeben diese
vernunftmäßig zwingenden, also völlig durchschaubaren Zusammen
hänge dann die berühmten „ehernen Gesetze des Wirtschaftslebens“,
gleich der Bauernregel von „Angebot und Nachfrage“. Darauf aber
verfallen kann natürlich jeder vernünftig Denkende auch außerhalb
der Wissenschaft, jederzeit, und tatsächlich sind diese Dinge der Praxis
des Lebens längst schon geläufig. Man glaubt also das „letzte Ziel“ der
Wissenschaft ausgerechnet dort zu sehen, wo sie selber in Wahrheit noch
gar nicht angefangen hat! Es ist einmal so, unsere Wissenschaften
stellen sich besonders darin in einen scharfen Gegensatz zur Naturwissen-