4. Der Kapital- und Geldmarkt.
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änderungen gegenüber zu tun, auf der anderen Seite handelt es sich
aber auch vielfach um Maßregeln, welche bei der guten Übersicht
und Kenntnis der großen Banken über den Gang des Wirtschafts
lebens durchaus als Symptome eines drohenden Umschwunges der
Konjunktur aufzufassen sind. In dem folgenden Abschnitt wird da
von noch eingehender die Rede sein. Solche Maßnahmen der Kredit
banken sind also nicht allein eine notwendige Reaktion auf gewisse
Konjunkturerscheinungen am Geldmärkte, sie können nicht nur der
Vorbote sich hier vollziehender Wandlungen sein, sie können auch
auf das Tempo, in welchem dann solche Wandlungen der Konjunktur
eintreten, einen erheblichen Einfluß ausüben, sie fallen damit be
reits in den Rahmen der Konjunkturpolitik 1 , ein Gegenstand, der in
einem besonderen Abschnitte noch zu behandeln sein wird.
In den Zeiten einer sich entwickelnden Hausse, vor allem auf
ihrem Höhepunkte, disponieren aber nicht nur die Kreditbanken über
ihre Mittel in der allerknappsten Weise, versuchen sie nicht nur
zum Schaden ihrer Liquidität, ihre verfügbaren Mittel auf das inten
sivste auszunutzen, indem sie z. B. ihre Kassenvorräte, ihre Giro
guthaben bei der Reichsbank, möglichst nieder bemessen, eine in
solcher Zeit eintretende Überspannung des Kredites kann sich auch
auf die Kreditempfänger, auf die Industrie, übertragen. Mit einer
solchen Verknappung auf dem Geldmärkte geht in diesen Zeiten auch
eine Verknappung auf dem Kapitalmärkte Hand in Hand.
In den Zeiten einer Hausse ist in einer Volkswirtschaft nicht nur
der Bedarf an Zahlungsmitteln ein sehr großer, was zu der geschil
derten Versteifung des Geldmarktes führt, die Industrie bedarf in
solcher Zeit auch großer Mittel zu Anlagezwecken, zu Neugrün
dungen, zu Betriebserweiterungen, zur Schaffung neuer technischer
Anlagen usf. Diesen Kapitalbedarf haben wir ja oben auf Grund
der Emissionsstatistik kennengelemt. So hat die deutsche Elek
trizitätsindustrie in der Zeit der aufsteigenden Konjunktur von
1895—1900 allein etwa 725 Millionen Mark absorbiert.
Allmählich gehen aber die Kapitalvorräte in einer Volkswirt
schaft zu Ende. Das anlagesuchende Kapital beginnt knapper zu
werden. Die Anzeichen davon haben wir ja bereits oben können-
gelernt, als von der Kursminderung der Staats- und Kommunal
anleihen die Rede war und von den geringfügigen Kapitalbeträgen,
welche auf dem Höhepunkt der Konjunktur noch dem Baumarkte zur
Verfügung gestellt werden können. Der Kapitalmarkt ist immer
weniger imstande, der Industrie die Mittel für ihre Neuanlagen und
Erweiterungen zur Verfügung zu stellen und damit entsteht die Ge
fahr, daß der Geldmarkt dafür herhalten muß, hier den Ersatz zu