146 Dritter Abschnitt. Einfluß des Konjunkturwandels und der Krisen.
schaffen. Die Betriebsmittel der Volkswirtschaft laufen Gefahr,
zu Anlagezwecken verwandt zu werden. Das kann in den allerver
schiedensten Formen geschehen. Der Fabrikant kann die Mittel, die
er im Kontokorrent oder Wechselkredit (Wechselprolongation) er
halten hat, für Anlagezwecke verwenden. Das gleiche kann aber auch
dadurch entstehen, daß die Börsenspekulation auf Grund von Bank
vorschüssen, welche ja dem Geldmärkte entnommen sind, bei der
Neuemission von Aktien und Industrieobligationen als Zeichner auf-
tritt. Auch auf diesem Wege also können Mittel des Geldmarktes
für Anlagezwecke verwandt werden.
Es handelt sich hier um einen, für die Beteiligten und für das
ganze Wirtschaftsleben äußerst gefährlichen Vorgang. Denn in all
den eben genannten Fällen werden kurzfristige Verbindlichkeiten in
feste Anlagen, also in eine sehr illiquide Form, umgewandelt. Das
kann dann, wie die Erfahrung zeigt, die verhängnisvollsten Folgen
haben, wenn die Kreditbanken aus irgendwelchen Gründen dazu
übergehen müssen, diese Kredite einzuschränken oder ihre Ver
längerung abzulehnen.
„Betriebssteigerungen, welche durch allzu leichte Krediterteilung
in bestimmten Produktionszweigen hervorgerufen worden sind, ver
anlassen Betriebssteigerungen in jenen anderen Produktionszweigen,
welche die Produktionsmittel für die ersteren zu liefern haben. So
entsteht in einer ganzen Reihenfolge aufeinander angewiesener Pro
duktionszweige eine Überproduktion, welche des wirklichen Bedarfs
ermangelt und damit letztlich zu Verlusten führen muß 1 ).“ Diese
letzten Ausführungen haben bereits Zusammenhänge berührt, welche
die Börse mit dem Gold- und Kapitalmarkt verbinden. Wir wollen
jetzt dazu übergehen, zu sehen, welche Zusammenhänge zwischen
den Vorgängen an den Börsen und dem Wandel der Konjunktur vor
handen sind.
Man unterscheidet bekanntlich Effekten- oder Fondsbörsen und
Waren- oder Produktenbörsen. Daß auf den letzteren in der Höhe der
Umsätze, in der Preisentwicklung, in dem Umfang der Warenspeku
lation, sich die Konjunkturvorgänge deutlich widerspiegeln, liegt so
auf der Hand, daß darüber keine weiteren Worte verloren zu werden
brauchen. Die Zusammenhänge zwischen diesen Warenbörsen
und den Verhältnissen am Geldmarkt ergeben sich auch ohne wei
teres. Denn die von dem Geldmarkt zur Verfügung gestellten Mittel
üben einen starken Einfluß auf den Umsatz und den Geschäftsgang
auf den Warenbörsen aus, und von da aus müssen sich dann wieder
U Komorzynski, Die nationalökonomische Lehre vom Kredit. Inns
bruck 1903. S. 292.