1. Die älteren Krisentheorien.
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so lesenswerten Schriften hat er seine Ansichten über die Be
ziehungen von Produktion und Konsumtion und über die Ursachen
der Krisen ausgesprochen. In diesen Darlegungen Sismondis über
das Krisenproblem lernen wir gerade auch das Neue und Eigen
artige seiner nationalökonomischen Anschauungen kennen.
Sismondi ist einer der Hauptvertreter der sogenannten Unter
konsumtionstheorie, einer Lehre, deren Grundzüge sich zuiü Teil
schon bei Malthus vorfinden und die dann später von anderen,
vor allem von Rodbertus, weiter entwickelt worden ist. Es handelt
sich hierbei um die Wechselbeziehungen zwischen der Art der
Produktion und der Einkommensverteilung, im speziellen darum,
daß bei einer gewissen Art der letzteren, wenn die Arbeiter einen
zu geringen Teil am Nationaleinkommen erhalten, die heimische Pro
duktion Schaden erleidet.
Den Arbeitern fehlt die Kaufkraft, um die Erzeugnisse der
Produktion aufzunehmen, während die Unternehmer und Kapita
listen nicht ihr ganzes Einkommen verbrauchen, sondern einen Teil
davon zurücklegen und damit die vorhandene Produktion nur noch
vergrößern. Damit hängt es dann weiter zusammen, daß die Unter
nehmer, welche im Inlande nicht genügenden Absatz finden, den
Versuch machen, auswärtige Märkte aufzusuchen, um dort ihre Waren
zu verkaufen, eine Entwicklung, welche aber für die heimische In
dustrie weit größere Gefahren birgt, als der Absatz im Inland. Der
Gegensatz zur klassischen Nationalökonomie lag vor allem in der
stark sozialpolitischen Färbung seiner Ansichten und in ihrem
romantischen Grundzug, welcher in der guten, alten Zeit, gerade
auch in den Beziehungen von Produktion und Konsumtion, so viele
Vorzüge der Gegenwart gegenüber erblickte. Es war dies eine Auf
fassung, welche verständlich war in einer Periode des Überganges,
in der das Alte zusammengebrochen war und man von dem Neuen,
das an seine Stelle trat, nur erst die Nachteile und Schattenseiten
sehen konnte und noch nicht in der Lage war, zu erkennen, welch
große Fortschritte auch in kultureller und sozialer Beziehung diese
neue Entwicklung für alle Schichten der Gesellschaft mit sich
bringen würde.
Für Sismondi ist das Gleichgewicht zwischen Produktion und
Konsumtion die grundlegende Frage der Nationalökonomie. Ist es
diese Wissenschaft doch, wie er es einmal ausgesprochen hat,
welche als die einzige das allgemeine Wohlergehen und das Glück
der Menschen zum unmittelbaren Zweck hat, und hängt dies doch
in entscheidender Weise von dem Vorhandensein dieses Gleich
gewichtes ab. Im Gegensätze zu Say und Ricardo hält Sismondi