82 Zweiter Abschnitt. Der Ablauf der Konjunktur seit Gründung des Reiches
Als nun die Stabilisierung in Deutschland einsetzte, da fehlte es
aus diesen Gründen allenthalben an Betriebskapital, das Wirtschafts
leben war in vielen 1 seiner Teile illiquide, weil während der Infla
tionsperiode jeder bestrebt war, sein Geldkapital in Sachkapital um
zuwandeln. Dieser Kapitalhunger auf der einen, die vorhandene
Kapitalarmut auf der anderen Seite haben dann in dieser Zeit zu
den exorbitant hohen Zinssätzen geführt, welche bei der Aufnahme
von Kredit gezahlt werden mußten.
Dieser Mangel an Betriebskapital war auch einer der Gründe,
die dann zu so vielen Entlassungen von Arbeitern und Angestellten
geführt haben, weil bei dieser Illiquidität zahlreiche Unterneh
mungen gar nicht imstande waren, Löhne und Gehälter im alten Um
fange weiter zu zahlen und vielfach zunächst den Versuch machen
mußten, durch Verkauf ihrer Lagerbestände in den Besitz der er
forderlichen Betriebsmittel zu kommen, ehe sie mit Erfolg wieder
weiter arbeiten konnten. Diese Notwendigkeit einer größeren Liqui
dität wurde für Landwirtschaft und Industrie noch dadurch we
sentlich vergrößert, daß gerade in dieser ersten Zeit nach der Sta
bilisierung erhebliche Steuerbeträge, welche für die Sanierung der
öffentlichen Finanzen unentbehrlich waren, aufgebracht werden
mußten. Daß diese große, dann bei uns einsetzende Arbeitslosigkeit
und die zahlreichen Entlassungen staatlicher Angestellter und Be
amter ebenso wie dieser notwendige Liquidationsprozeß der Wirt
schaft den Inlandsabsatz ebenfalls ungünstig beeinflussen mußten,
liegt auf der Hand.
Speziell in Deutschland wurde dann dieser Kapitalmangel noch
wesentlich verschärft durch die Beteiligung weiter deutscher Kreise
an der internationalen Spekulation in französischen Franken, welche
für die Beteiligten mit großen Verlusten abgelaufen ist, Verluste, die
deshalb besonders schwer gewesen sind, weil sie in dieser Zeit der
allgemeinen Illiquidität an den liquidesten Vermögensbestandteilen
zehrten. Hat man doch die Beträge, welche in dieser Zeit schwerster
Kapitalnot aus Deutschland nach dem Auslande gingen, auf etwa
400 Millionen Goldmark geschätzt.
Diese Absatzkrise, wie sie aus diesen Gründen nun einsetzte,
erlitt noch eine wesentliche Verschärfung durch die Wandlungen,
welche sich in der gleichen Zeit im deutschen Außenhandel voll
zogen. Mit dem Aufhören der Inflation war die Exportprämie, welche
darin für die deutsche Ausfuhr, und der Einfuhrzoll, welcher darin
für die deutsche Einfuhr lag, in Fortfall gekommen. Wenn auch bei
uns zunächst infolge der eben dargestellten Tatsachen die Preise, vor
allem diejenigen der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, einen starken