3. Die Stabilisierungskrise.
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zu dieser Erleichterung beigetragen, wenn auch die Verhältnisse
noch schwierig genug liegen,, und auch noch auf lange hinaus blei
ben werden. Liegt es doch in der Natur einer solchen Stabilisie
rungskrise, daß sie nur langsam und sehr nach und nach abflauen
kann. Solche Störungen müssen auch natürlich um so länger an
dauern, je mehr Fehler bei ihrer Bekämpfung gemacht werden. Auf
die zu weitherzige Kreditpolitik der Reichsbank ist bereits oben
hingewiesen worden, und daß daneben auch noch andere Fehler ge
macht worden sind, unter welchen die Wirtschaft schwer zu leiden
hat, ist in der Öffentlichkeit häufig genug betont worden 1 ).
Wie lange eine solche Krise dauern kann, das zeigen die Ver
hältnisse in Österreich und der Tscheeho-Slowakei, wo diese Wirt
schaftsstörungen noch am Ende des Jahres 1924 in ganz erheblichem
Umfange vorhanden sind, trotzdem die Stabilisierung lange vor der
jenigen in Deutschland erfolgt ist. Dabei haben sich die Verhält
nisse in Deutschland noch relativ günstig entwickelt, was sich vor
allem darin zeigte, daß in den ersten Monaten der Stabilisierung
trotz aller Ungunst der Verhältnisse die Wirtschaft von schweren
Erschütterungen verschont geblieben ist. Es hing dies zum Teil
sicher mit der oben besprochenen weitherzigen Kreditpolitik der
Reichsbank zusammen, es trug aber dazu auch die Tatsache we
sentlich bei, daß, wie wir oben gesehen haben, in den letzten Wochen
vor der Stabilisierung infolge des dauernden Währungssturzes die
wirtschaftlichen Zustände bei uns so heillose waren, daß dadurch
die absatzfördernden Momente eines Währungsrückganges vollständig
r ) So schrieb die Diskontogesellschaft in ihrem Geschäftsbericht für das
Jahr 1923: „Der Mangel an Kapital und die gewaltige Steigerung der Zins
sätze, auch für kurzfristige Gelder, führten zu einer vollständigen Des>-
Organisation des Geldmarktes. Diese wurde noch dadurch gefördert, daß die
Staatsaufsicht über die staatlichen und kommunalen Geldinstitute völlig ver
sagte und diesen gestattete, ihre Mittel nicht ihrer eigentlichen Zweckbestim
mung zuzuführen, sondern ohne Rücksicht auf das damit verbundene Risiko,
zu möglichst hohen Zinssätzen im offenen Markte auszuleihen, im wilden
Wettlauf den Kettenhandel mit Geld zu fördern und die Zinssätze für den Ver
braucher in ungerechtfertigterWeise zu steigern.“ In der „Kölnischen Zeitung“
vom 31. Oktober 1924 hieß es u. a.: „Jedoch kann nicht genug beklagt werden,
daß die geradezu wucherische Zinspolitik, die von der Reichsbahn und Zoll
verwaltung bei Fracht- und Steuerstundungen betrieben wird, viele Gewerbe
treibende dazu veranlaßt, ihre Zuflucht zu solchen Geldstellen zu nehmen, die
zwar hohe Einlagezinsen gewähren, aber geradezu barbarische Leihzinsforde-
rungen stellen, Noch heute werden ja bei Frachtstundungen Zinssätze von
Vi °/o täglich nebst einer Gebühr von 6 pro Mille für wöchentlich gestundete
Frachtschulden berechnet, was zusammen 18 Q/o jährlich ausmacht. Die Zoll
ämter, die bei Zollstundungen obendrein eine Sicherheitsleistung durch eine
Kreditversicherungsgesellschaft verlangen, berechnen trotzdem für die Stun
dung 12 o/o im Jahr. Einschließlich der Prämien an die Gesellschaften usw.
beläuft sich der gesamte Zinssatz mindestens auf 18o/o.“