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III. Abschnitt.
zwar auf 72,7 Proz. der Gesamtlänge an, aber die Steigungen liegen auf nur 0,9 Proz.
der geneigten Strecke zwischen 1:200 und 1:100; Krümmungen mit 1000—500 m
Radius sind ferner nur bei 48 Proz. der gekrümmten Strecke vorhanden. Dem
gegenüber weist die von Oran auf das algerische Hochland führende Strecke schon
in geringer Entfernung von der Küste auf längerer Strecke mit 1:37 die gleiche
Maximalsteigung auf wie die Gotthardbahn.
Aus dem oben Gesagten geht hervor, daß auch der Abstieg von
einer Höhe für irgendwelche Verkehrsmittel keine Förderung bedeutet.
Während wir im Wasser öfters die Ursache einer Beschleunigung der
Bewegung eines Schiffes finden, gibt es solche auf dem Lande nicht.
Der Grund ist einfach der, daß das Medium, auf dem sich
die Bewegung vollzieht, starr ist. Ein solches starres
Medium hat zur Folge, daß jede auf seiner Oberfläche
ausgeführte Bewegung nur auf Grund eigener Kraft
äußerung seinen Ort verändern kann, seine besondere
Beschaffenheit vermag also, wie dies im Gebirge der
Fall ist, wohl eine Vermehrung, nicht aber eine Ver
minderung dieses Kraftaufwandes zu verursachen.
Denn der Verminderung des Kraftaufwandes beim Abstieg steht
mehr als gleichwertig dessen Vermehrung beim Aufstieg gegenüber,
vom Materialverbrauch im erstgenannten Falle ganz abgesehen. In
diesem gegenseitigen Verhältnis zwischen Medium und
Gegenstand der Bewegung beruht demnach einer der
wesentlichsten Unterschiede zwischen Land-und
Wasserverkehr.
Immerhin ist mit dieser Eigenart des Landverkehrs auch ein
Vorzug vor demjenigen zu Wasser oder gar in der Luft verbunden.
Denn in der Starrheit des Mediums liegt auch die Zuverlässigkeit
des Landverkehrs begründet. Da der Boden selbst in die Berechnung
der Beförderungszeiten als unveränderliche Größe eingesetzt werden
kann, so ist damit auch das Innehalten der festgestellten Fahrzeiten
namentlich für die mechanisch getriebenen Verkehrsmittel wie die
Bahnen bis zu einem hohen Grade gesichert.
Haben wir so in Bau und Beschaffenheit des Bodens gewisser
maßen feste Größen zu sehen, die sich der idealen Verbindung
zwischen zwei Punkten hindernd in den Weg stellen, so steht es
anders mit den periodischen Hemmungen, die fast ausschließlich in
klimatischen Einflüssen zu suchen sind. Denn letzten Endes sind
die bisweilen den Verkehr einschränkenden Hochwässer ja auch nicht
anders aufzufassen denn als Folgen von Witterungsereignissen.
Die häufigsten und fühlbarsten zeitweisen Störungen, welchen der
Landverkehr durch Naturgewalten ausgesetzt ist, sind die infolge von
Schneefall eintretenden Unterbrechungen, die oft recht erhebliche
Verzögerungen zur Folge haben. So betrug die Verspätung, die der
zwischen Berlin und Konstantinopel verkehrende Expreßzug um Neu
jahr 1914 allein auf der Fahrt über die Gebirge der Balkanländer
erfuhr, nicht weniger als 36 Stunden. Ueberhaupt ist das Gebiet
der am häufigsten und regelmäßigsten auftretenden Schneehindernisse
stets das Gebirge, und hier ist es in der Tat die absolute Höhe der
Paßübergänge und ihre Lage zu den Niederschläge bringenden Winden,
die die besondere Beachtung des Geographen verdienen, während für
den vorhin behandelten Einfluß des orographischen Baues naturgemäß
nur die relativen Höhenunterschiede in Frage kommen.