Full text: Die Frau und die Arbeit

Maßwerk seines kleinen Erkers arbeitete und meißelte, 
ohne Bild des Ganzen, war es nicht so leicht. Nichtsdesto 
weniger bedurfte es seiner gewissenhaften Arbeit, bedurfte 
es der Haufen behauener und verdorbener Steine ringsum 
her, damit endlich der Bau in seiner ganzen Größe und 
Schönheit dastehe. 
Für einen Moses, der vom Berg Pisga aus, wenn auch 
durch den Nebel bitterer Tränen, das Land der Verhei 
ßung vor sich liegen sah, ein Land, das sein Fuß niemals 
betreten und dessen Früchte seine Hand niemals pflücken 
sollte, war es doch vielleicht nicht so schwer, umzukehren 
und zu sterben, denn wie in einem Traum hatte er das 
Land erblickt. Aber für die Tausende, die den Pisga 
nicht ersteigen konnten, die ihre Gebeine in der Wüste 
bleichen lassen mußten, ohne auch nur ferne das Land 
winken zu sehen, die auf dem langen Marsch nicht ein 
mal die Bundeslade tragen, nicht den Cymbal schlagen 
durften, sondern nur ihr eigenes Hausgerät und ihre ge 
ringe Habe schleppten, für sie war es vielleicht noch 
schwerer, in der Wüste zu sterben, nur mit dem Bewußt 
sein, daß irgendwo in der Ferne das Land der Verheißung 
liege. Nichtsdestoweniger war es ihr langsamer und manch 
mal schwankender Zug, durch den das Volk endlich das 
Land erreichte. 
So ist es auch für diejenigen Frauen, deren Weitblick 
sie befähigt, den großen Segen zu schauen, zu dem die 
Kämpfe und Leiden der heutigen Generation führen, die 
hinter der Gegenwart, wenn auch in einer Zukunft, die sie 
selbst nicht mehr erleben werden, ein freieres und stär 
keres Frauengeschlecht erblicken und mit ihm eine kräf 
tigere und entwickeltere Menschheit, nicht so schwer zu 
entsagen und mit unerschütterlichem Zielbewußtsein zu 
arbeiten; aber für jene, die das nicht sehen und doch 
weiterkämpfen, zumeist nur von dem unklaren Bewußtsein 
getrieben, daß irgendwo in der Zukunft ein großes Ziel
	        
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