24 Anfangsgründe der Volkswirtschaftslehre.
milienbeziehungen. Es genügt, die Freigebigkeit einer Henne
gegen ihre Küchlein zu beobachten, wenn sie ein Korn ge
sunden hat.
Das Geschenk wird ein neuer Weg zum Tausch sein. Es
wird in gerader Linie zu ihm hinführen, wenn wir annehmen,
daß das Geschenk gegenseitig wird; denn worin unterscheidet
sich ein wechselseitiges Geschenk vom Tausch? In nichts, als
in der Absicht. Nun findet sich das Gegengeschenk sehr häufig
in der primitiven Kultur, es ist sogar die Regel: man braucht
nur die Berichte sämtlicher Afrikaforscher zu lesen. Was
machen sie? Wenn sie zu einem Stamm kommen, so schickt
ihnen der Häuptling nach den Gesetzen der Höflichkeit und
Gastfreundschaft aller wilden Völker, je nach seinem Reichtum,
einen Ochsen oder Hühner. Aber er erwartet ein Gegen
geschenk. Und ebenso wie bei den offiziellen Besuchen fünf
Minuten, nachdem der fremde Fürst seinen Besuch gemacht
hat, der Präsident diesen Besuch erwidert, ebenso erfordert die
Etikette des schwarzen Duodezfürsten die gleiche Erwiderung.
Deshalb versäumt kein Forscher, in seinem Gepäck alle Arten
Gegenstände mit sich zu führen, die als Zahlungsmittel oder
Geschenk — das bleibt sich gleich — dienen sollen.
Aber man braucht gar nicht so weit zu gehn.
In gewissen, etwas abseits liegenden europäischen Län
dern, wo es keine Gasthöfe gibt, herrscht dieses System des
Gegengeschenks. Ich selbst habe vor vielen Jahren, als ich in
Spanien reiste, in Aragonien die Erfahrung gemacht. Es
war in einem kleinen Dorfe, wo es keinen Gasthof gab; es ist
dort Sitte zum Geistlichen zu gehn. Er gibt einem Logis, er
beherbergt einen umsonst, um Gotteswillen, selbstredend, aber
es wäre äußerst unschicklich, wenn man ihm am andern Tage
bei der Abreise nicht wenigstens den Gegenwert des Empfan
genen erstattete.
Im römischen Recht wird der Tausch so definiert: „Ich
gebe, damit Du gibst" (äv ut des), Gabe für Gabe. Das
ist eine Art Zeugnis für die Entwicklung, die wir aufgezeigt
haben.
übrigens spricht der Schüler unbewußt dasselbe aus,
wenn er zu seinem Kameraden sagt: „Gib mir, was Du hast;
ich gebe Dir, was ich habe".
Und ist es nicht ein tröstlicher Gedanke, daß der Tausch
auch aus dem Geschenk entstanden ist und nicht nur aus dem
Diebstahl, wie wir soeben gezeigt hatten. Zwar wenn der