Die englische Industrie.
23
er einmal wirklich industrielle Aktien, so sollen sie für ihn
genau so wie bei den wohlhabenden Klassen so bekannt sein, daß
er sich wenigstens einbildet, ihre Verhältnisse genau beurteilen zu
können. Das englische Publikum kauft Industriepapiere als Lokal
werte. Die Aktien der daneben liegenden Spinnerei, deren vorzüg
liche Einrichtung ein Freund geschildert hat, des benachbarten
Hüttenwerkes, das gerade jetzt so viele Arbeiter braucht, der
Brauerei, deren Wirtshäuser jeden Abend überfüllt sind und
die trotzdem binnen kurzem Bankerott macht, das sind Anlagen in
englischen Industriepapieren, die Mr. Brown und Mr. Smith bevor
zugen. Einer großen trustähnlichen Fusion, deren interne Verhält
nisse den Mitgliedern seines Klubs nicht so vertraut sind, einer
expansionslustigen Gesellschaft, die die hergebrachte Form sprengt,
die gewohnten Dimensionen rasch hinter sich läßt, entzieht er häufig
schnell sein Kapital und folgt damit denselben Ideen wie die engli
schen Kapitalisten. Was die Tagesspekulation an Industriewerten
nimmt, kann dafür keinen Ersatz bieten; so groß der Londoner Markt
für Renten und Obligationen, für ausländische Aktien und Minen
ist, die Zahl der gehandelten Industriepapiere erscheint verschwin
dend klein, ihr Umsatz und ihr Einfluß auf den gesamten Börsen
verkehr im Vergleich zu Deutschland minimal. Ein Blick in den Kurs
zettel und den Citybericht bestätigen diese Beobachtung.
Es ist bekannt, daß die englischen Aktienbanken keine Wertpapiere
emittieren, keine spekulativen Engagements halten. Aber auch die
Privatbankiers, die großen Finanziers und Maklerfirmen nehmen
nur geringes Interesse an den heimischen Werten. Die Namen
Rothschild, Baring, Lubbock, Frühling & Goschen, Sir Ernest Cassel
wird man vergeblich bei der Finanzierung der englischen Industrie
suchen.
Aktienkapital und Obligationen werden von den Insiders und ihren
Freunden und Nachbarn aufgebracht. Daher kommt es vor, daß eine
große, monopolistisch gedachte Fusion, wie die Zementassoziation,
von vornherein ihr Ziel verfehlt, weil die Emission erfolglos verläuft
und den Vorbesitzern mehr Aktien auf dem Hals bleibien, als ihren
Wünschen und dem Grade ihres Vertrauens entspricht.
Erst in den letzten Jahren hat sich ein gewisser Umschwung in
diesen Dingen angebahnt. Ausgehend von der Nachahmung
deutscher und amerikanischer Gründungen, hat man das Publikum