11” V. Überstaatliche Bindungen des Jchs
Velk versündigen, die sich aus feiger Bequemlichkeit noch immer
scheuen, den Kirchen den Ausgleich aufzuzwingen.
Ja, aufzuzwingen! Denn anders als durch Zwang, ausgeübt von
einem Stärkeren, geht es nicht. Und dieser Stärkere kann nur
der Staat sein.
Er allein kann den Konfessionen das Kampffeld vernünftig be-
schränken, indem er statt ihnen, wie bisher, Zugeständnisse zu
machen ~ ihrem Ringen um die Jugend Grenzen setzt und diese
Grenzen bewacht. Indem er erklärt: die Jugend gehört mir!
Die Jugend gehört in die Staatsschule, über die das Reich die Auf-
sicht führt - und niemand sonst. Im Rahmen dieser staatlichen
Reichsschule ist Raum auch für die Einführung der Jugend in die
religiöse Lebensform, der die Eltern sie zuzuweisen wünschen, bis
sie alt und reif genug geworden sind, um über sich selbst zu
entscheiden.
Diese Einführung aber ist nicht Sache des Staates – der kon-
fessionslose Staat gibt keinen Religionsunterricht. Diese Einführung
ist Sache der Kirche, und wie der Staat nicht duldet, daß die
Kirche sich in den weltlichen Teil des Unterrichts einmische, so
wird er selbst sich jeglicher Einmischung in den religiösen Unter-
richt enthalten.
Das ist der Weg, wie in Deutschland, dem Mutterlande der
Kirchenspaltung, allen Teilen am besten gedient werden kann, und
nicht zuletzt dem religiösen Bedürfnis. Diesem ~ und darüber hin-
aus dem gegenseitigen Sichverstehen des protestantischen und des
katholischen Volksteils.
Man kann doch auch der Meinung sein: erst wenn die Kirchen
aller Verpflichtungen, sich an den politischen Machtkämpfen zu be-
teiligen, ledig seien; erst dann würden sie die lebendigen Kräfte, die
noch in ihnen schlummern, wieder voll entfalten können. Und in
dem freien Wettbewerb auf den reinen Höhen durchgeistigten Men-
schentums müßte sich das erstrebenswerte Verhältnis von Schwe-
sterkirchen ~ wenn überhaupt! + noch am chesten herausbilden
können.
()