Full text: Neuzeitliche Krüppelfürsorge

Bei der Differenzierung der Ansstaltsentlassenen können wir fol- 
gende drei Typen unterscheiden: 
Solche, die ihre Lehrzeit in der Anstalt verfaulenzt, systematisch 
ihre Ausbildung hintertrieben haben und mit schlechten Zeugnissen 
und wenig handwerklicher Fertigkeit notgedrungen entlassen werden 
mußten. Wenn sie nicht so viel Selbsterkenntnis und -besinnung auf- 
bringen, ihre Lücken auszufüllen, landen sie als Bettelkrüppel an 
irgendeiner Straßenecke und sind ~ von unvernünftigen Eltern ver- 
hetzt, vielleicht von ihnen vor dem Abschluß der Ausbildung aus der 
Anstalt geholt, unter oft schamloser und aufdringlicher Vorzeigung 
und Betonung des körperlichen Fehlers nicht selten von ihnen miß- 
braucht, später sich selbst dazu hergebend – wohl nur noch selten von 
der Fürsorge zu erfassen, und als Gesstrandete des Lebens, als Un- 
soziale in der menschlichen Gesellschaft beendigen sie oft ihre Tage in 
einem Armenhaus oder auch im Gefängnis. Selbstversständlich weist 
jeder Stand solche gescheiterte Existenzen auf, und es soll hiermit nicht 
einmal gesagt werden, daß sie unter den Krüppeln so besonders zahl- 
reich anzutreffen wären. 
Unter den Ansstaltsentlassenen finden wir dann aber bei weitem 
die größte Zahl als in jeder Hinsicht brauchbare Menschen. Die Er- 
fahrung bestätigt es uns täglich, daß ein großer Teil von ihnen sich 
schon bald eine Lebensstellung erringt, was wieder umso leichter ist, 
je mehr die Eltern sich um ihr Kind kümmern und umso besser, je 
früher sie selbst ihm eine Stellung besorgt haben. Für die Arbeits- 
beschaffung kommt diese Gruppe nicht mehr in Betracht, wohl aber 
für die nachgehende Fürsorge. 
Die dritte Kategorie ist jedoch nicht in dieser glücklichen Lage. Oft 
elternlos, oft von gewissenlosen Eltern kaum beachtet, von Jugend auf 
in den Anstalten und darum oft ohne viel Kenntnisse von der Welt 
und ihrem Treiben, sind sie im besonderen Maße Gegenstand der 
nachgehenden Fürsorge. 
Gerade sie darf der Fürsorger nie aus seinem geistigen Auge 
verlieren, selbst wenn sie dem leiblichen schon längst entsschwunden sind. 
Wenn auch nach dem Preußischen Gesetze über die öffentliche 
Krüppelfürsorge die Nachfürsorge in erster Linie Sache der zustän- 
digen, von dem Stadt- oder Landkreise jeweils einzurichtenden 
Krüppelfürsorgestelle ist (vgl. Abschnitt vI C der amtlichen Aus- 
führungen zum Krüppelfürsorgegesetz), so ist allerdings wohl kaum 
anzunehmen, daß auf diesem Wege bisher vielen Krüppeln Arbeits- 
stellen beschafft worden sind. 
Für die praktische Arbeitsbeschaffung empfiehlt sich folgende 
Methode. Allgemein gilt, daß die beste Schulung, Ertüchtigung und 
Erwerbsbefähigung des Krüppels mehr oder weniger illusorisch bleibt, 
wenn der Erwerbsbefähigte nicht auch die passende Stelle findet, wo 
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