Verhältnis der Forstwirtschaftspolitik zur Wirtschaftspolitik und Forstwirtschaftslehre. 13
v. B.'s Einteilung hat mit der erst später entstehenden Gliederung unserer Wissenschaft
in eine Privatforstwirtschaftslehre und eine Staatsforstwirtschaftslehre nicht das geringste
gemein. Dennoch hat sich später die irrige Ansicht verbreitet, daß sie mit dieser Gliederung
in naher Wesensverwandtschaft stehe und gleichsam deren noch unentwictelte Urform dar-
stelle. Diese dem Sachverhalt nicht entsprechende, durchaus unzutreffende Auffassung
stammt von Hundes h ag en, dem Hauptvertreter der Gliederung: Privatforsst-
wirtschaftslehre ~ Staatsforstwirtschaftslehre. Nach ihm geht „die Abteilung der Forst-
wissenschaft in die Wirtschafts- und in die Polizeilehre . . . . ziemlich auf dasselbe hin, was
man früher unter niederer und höherer Forstwissenschaft . . . . verstanden wissen wollte 1)."
Diese irrige Auffassung mag es auch gewesen sein, welche ihn zu der großen Überschätzung
des v. B.'schen Systems bewegt hat. Wenn H e ß in Anlehnung an Hundes h ag e n
sagt: „In früheren Zeiten bediente man sich für die staatsökonomische Seite der Forst-
wissenschaft auch der Bezeichnung „höhere Forsstwissenschaft“ im Gegensatze zur „niederen
Forstwissenschaft“, wie man die privatökonomische Seite nannte“, so ist dies irreführend,
weil ja die Forstwissenschast v. B.'s reine Staatsforstwirtschaftslehre war und den Gegen-
satz: privatökonomisch-staatsökonomisch überhaupt noch nicht kannte. Die H e ß sche
Behauptung trifft allerdings insofern zu, als mehrere Systematiker wie Niem ann und
Walther, die schon mit der Alternative: privatökonomisch-staatsökonomisch operierten,
denen aber das Wesen der v. B.'schen Gliederung nicht bewußt war, ihre Alternative
fälschlicherweise mit der Einteilung v. B.'s identifizierten. Sie übersahen vollkommen, daß
das privatökonomische Moment der Forstwissenschaft v. B.'s noch gänzlich fremd war,
während die Gliederung: Privatökonomik-Staatsökonomik doch gerade auf der Abtrennung
des privatökonomischen von dem staatsökonomisschen Moment beruht und das Wesen dieser
neuen Gliederung ausmacht.
Eine besondere Privatforsstwirtschaftslehre bildete sich ersst an der Schwelle des neun-
zehnten ITahrhunderts heraus. Ihre Entstehung war ein Ausfluß der S m it h schen Ideen,
welche Wissenschaft und Wirtschaft der damaligen Zeit erfüllten und auch eine Erschütterung
unserer Wissenschaft hervorriefen, die vor allem in der Herausschälung einer besonderen
Privaltforstwirtschaftslehre zum Ausdruck kam. Unter dem Einfluß dieser Ideen fing man
an, die Forsstwirtschaft als ein ,selbständiges Gewerbe“ zu betrachten und als einen
„integrierenden Teil“ der neu heranwachsenden „Privatökonomie“ zu konstituieren. So
bildete sich erst eine Trennung unserer Wissenschaft in eine „Privatforstwirtschaftslehre“ und
eine „Staalsforstwirtschaftslehre“" heraus. Und zwar verlegte man den Schwerpunkt
unserer Wissenschaft auf die neugebildete Privatforstwirtschaftslehre. Neben ihr behielt
man aber auch die alte Staatsforstwirtschaftslehre noch bei, so daß unser Wissen nicht
mehr auf einen, sondern auf zwei Fixpunkte bezogen war. Man räumte dem einen dieser
Fixpunkte, dem privatökonomischen wohl einen Vorrang ein, konnte sich aber nicht dazu
entschließen, den anderen ganz aufzugeben und das um ihn zentrierte Wissen gleichfalls
auf den privatökonomischen Standpunkt zu beziehen. So kam es zur Entstehung des
Fremdkörpers der normativen Forsstpolitik im System unserer Wissenschaft. Hier ist also
die wahre Geburtsstunde dieses Wissensgefüges.
Die Gliederung unserer Wissenschaft in eine Privatforstwirtschaftslehre und eine
Staatsforsstwirtschaftslehre wurde zum ersten Male von Walth er im Jahre 1795 vor-
genommen. Die bisher in der Literatur unserer Wissenschaft durchweg vertretene Ansicht,
!) „Eneyklopädie der Forstwissenschaft“, 2. Aufl., Tübingen 1828.