in England — zahlreiche kleine Parteien vorhanden, so entstehen für die Bil-
dung dauernder Regierungen wirkliche Schwierigkeiten. Wir sahen dieselben
Wochen und Monate dauernden Ministerkrisen in Frankreich, Belgien,
Deutschland; in ernsten, schwierigen Lagen sahen wir zahlreiche Ministerien
rasch aufeinanderfolgen, von denen keines eine wirksame Lösung wagte und
den wirklichen Schwierigkeiten mit entschlossenem Mute begegnete. Die Re-
aktions-Parteien folgern daraus Anklagen gegen das parlamentarische System,
das, ihrer Meinung nach, den F orderungen des modernen Lebens nicht mehr
entspricht, Doch was gäbe es statt der Parlamente wenn nicht persönliche
Willkür?
Im allgemeinen beginnt jede Reaktion mit Anklagen gegen die Parlamente.
Die Sprache der Reaktionäre ist seit einigen Jahrhunderten immer dieselbe
wie die Sprache der Tyrannei. Die "Tyrannei einer Gruppe von Individuen
oder eines Einzelnen begeht immer den Fehler, sich zuerst mit dem Staat
und dann mit der Nation zu verwechseln. Die Tyrannen und die Diktatoren
haben zu allen Zeiten die besten Absichten vorgeschützt. Sie haben immer be-
hauptet, das Land vor Anarchie und Verwirrung behüten und die besten
Männer um sich versammeln zu wollen. Konnten sie das Gute nicht erreichen,
so fiel die Schuld ihren Gegnern zu, die ihr Wirken behinderten.
Das Charakteristische jeder Diktatur und jeder Reaktion besteht im un-
unterbrochenen und bitteren Schmähen des Parlamentes. Die parlamen-
tarische Verfassung wird stets der Schwachheit und Ohnmacht beschuldigt.
Man spekuliert dabei immer auf den Schaden, den die Gegensätze zwischen
Personen oder Parteien anrichten. Aber Niemand denkt daran, daß jede
Tyrannei viel schwächer ist, weil sie zum Zweck ihrer Erhaltung mannigfache
Interessen beleben und alle Formen des Schmarotzertums entwickeln muß.
Unter den freien Verfassungen ist jede Staatshandlung überwacht, und
jede Ausgabe geschieht unter Verantwortlichkeit. Mißstände und Verfehlungen
bleiben auf diese Weise nie verborgen; oft werden sie im Parteikampf sogar
noch übertrieben. Aber was geschieht dort, wo es keine Kontrolle und keine
freie Presse gibt?
Das Parlament enthält oft eine Menge mittelmäßiger, schwacher und ver-
dorbener Männer; aber es enthält stets auch ehrliche und zielbewußte, die
bereit sind, die schlimmsten Folgen der Korruption zu verhindern und wirk-
lich schwere Skandale aufzudecken. Dem Wirken solcher zielbewußten und
ehrenhaften Männer ist es zu verdanken, wenn viele Irrtümer und Über-
tretungen vermieden werden,
Ohne Parlament und ohne Pressefreiheit gibt es auf die Dauer weder eine
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