Der Objektivismus und der Subjektivismus in der politischen Oekonomie 45
nis der zugehörigen Motivation**!‘‘. Doch nimmt Böhm an, daß
„die objektivistische Quelle der Erkenntnis... bestenfalls. nur
einen recht ärmlichen, zumal für sich allein durchaus ungenügen-
den Teil der gesamten erreichbaren Erkenntnis beisteuern kann,
da wir es im Wirtschaftsgebiet vorwiegend mit bewußten, be-
rechneten menschlichen Handlungen zu tun haben**.“
Demgegenüber sahen wir bereits, daß gerade die von der
österreichischen Schule propagierte individualistisch-psycholo-
gische Abstraktion eine sehr kärgliche Ernte abwirft‘. Und es
handelt sich hier nicht nur um die Abstraktion als solche. Oben
betonten wir gerade, daß die Abstraktion ein notwendiges Ele-
ment eines jeden Erkenntnisaktes ist. Der Fehler der Oester-
reicher besteht eben darin, daß sie bei der Erforschung der so-
zialen Erscheinungen gerade von diesen Erscheinungen selbst ab-
strahieren. Sehr gut wird dieser Tatbestand von R. Stolzmann
formuliert: „Mag man die Wirtschaftstypen durch Isolieren und
Abstrahieren so einfach gestalten, wie es nur angeht, aber so -
zial müssen sie sein, eine soziale Wirtschaft müssen sie
zum Gegenstand haben**.‘“ Denn es geht nicht an, daß man
vom rein Individuellen zum Sozialen übergeht; selbst wenn es
in Wirklichkeit so einen historischen Uebergangsprozeß gegeben
hätte, d. h. wenn die Menschen aus einem isolierten Zustand
zum „gesellschaftlichen Sein“ tatsächlich übergegangen wären,
so wäre es auch dann einzig und allein möglich, diesen Prozeß
% Böhm-Bawerk: „Zum Abschluß des Marxschen Systems‘, S. 201, Anm.:
„Struve‘‘, der diese Erkenntnismethode scholastisch nennt (siehe Anm. zur
S. XXV und S. XXXII der russischen Ausgabe), spricht an anderer Stelle
von der empirisch rechtmäßigen Anwendung der universalistischen Me-
thode. Dies hindert aber denselben Autor nicht daran, zu erklären,
daß der in der politischen Oekonomie notwendige soziologische Gesichts-
punkt zu allerletzt doch nur vom Menschen, aus dessen Psyche ausgehen
darf (d. h. vom „Individuum“, N, B., S. 26). Dabei will Struve „den Feinheiten
des psychologischen Subjektivismus keine besondere Bedeutung“ beimessen,
als ob diese „Feinheiten“ nicht notwendig logisch mit den „Grundlagen“ zu-
sammenhingen. Wie der Leser sieht, hat sich Struve eine sehr bequeme
Position gewählt. — Negativ beantwortet die Frage Böhm-Bawerks Lief-
mann, 1L.©.
3 Böhm-Bawerk: „Zum Abschluß usw.“, S. 202.
3 Sogar der Anhänger der Grenznutzentheorie, John Keynes, nimmt an,
daß die „Erscheinungen des industriellen Lebens in ihrem ganzen Umfange
lediglich auf deduktivem Wege aus wenigen Elementargesetzen der Natur
erklärt werden können“: Der Gegenstand und die Methode der politischen
Oekonomie.‘“ Zitat nach der russischen Uebersetzung unter Redaktion von
Manuilow, Moskau 1899, S. 70.
% R. Stolzmann, 1. c. S. 63; auch die „Soziale Kategorie“, S. 291 u. 292.
Vgl. auch D. Lifschitz: „Zur Kritik der Böhm-Bawerkschen Werttheorie‘‘,
Leipzig 1908, Kap. IV, besonders S. 90 u. 91.