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Teilung entgegenwirken, welche diese Garantien nicht
biete; und er glaube, daß die Staatsregierung durch ihre
Vorschriften die innere Kolonisation im Osten nicht be-
schränke, sondern im Gegenteil richtig fördere.
Das erste Kommissions mitglied kam, von den
Hintergedanken absehend, die nach seiner überzeugung bei
dem Gesetz vorhanden sind, noch einmal auf eine rein
wirtschaftliche Betrachtung der Vorlage zurück. Er sei
schon an mehreren tausend Verträgen beteiligt gewesen
und habe dabei die Erfahrung gemacht, daß die Gefahr,
welche seitens der Grundstückshändler drohe, sehr über-
schätt werde. Allerdings hätten viele Grundstückshändler
einen großen Hang zum betrügerischen Verfahren, aber
sie fänden wenig Gegenliebe auf der anderen Seite. Vor
der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches sei die
Sache äußerst gefährlich gewesen mit Rücksicht darauf,
daß schon ein schriftlicher Vertrag gültig gewesen sei.
Aber jetzt, nachdem der § 313 des Bürgerlichen Geset-
buches die notarielle oder gerichtliche Form obligatorisch
gemacht habe, sei das Operieren mit Schnaps bei dem
sogenannten Auktionstermin so gut wie ganz abgeschafft.
Die einzige Gefahr, die noch übrig geblieben sei, sei die,
daß der zahlungsunfähige Güterhändler die Anzahlung
nehme und dann die Auflassung nicht geben könne.
Aber nach seiner Erfahrung seien die Käufer jetzt so
gewigigt geworden, daß auch solche Fälle äußerst selten
vorkämen.
Alles, was in dem Entwurf vorgeschlagen werde,
könne die innere Kolonisation nur in hohem Maße er-
schweren. Der Landwirtschaftsminister zitiere als Zweck
des Gesetzes zunächst: die Übervorteilung der Käufer zu ver-
hüten. Sie werde durch die bureaukratische Bevormundung
kaum verhütet werden. Er erinnere an die Tätigkeit der
Generalkommissionen in den Jahren 1891 bis 1894/95.
Gewiß hätten damals die Generalkommisssionen sehr viel
Gutes getan, aber lediglich durch Eröffnung des Staats-
kredits. Durch ihre offizielle Tätigkeit hätten sie absolut
nichts genütt. Ein Muster dafür, wie wenig die bureau-
kratische Bevormundung wert sei, sei die Parzellierung des
Gutes Krzyzownik bei Posen. Im Landwirtschafts-
ministerium werde man ja den Fall kennen, wo die Bauern
infolge des Eingreifens der Generalkommission Preise ge-
zahlt hätten und so übervorteilt worden seien, wie dies bei
einer privaten Kolonisation noch niemals vorgekommen sei;
und. ähnliche Fälle seien auch noch in anderen Gegenden
vorgekommen.
Nach seiner Erfahrung sei die Selbsthilfe bei der
inneren Kolonisation noch immer das Beste. Wenn ihr
bisher Steine in den Weg gerollt worden seien, so sei es
immer nur von seiten der Behörden geschehen.
Nun sage der Landwirtschaftsminister weiter: es solle
die unwirtschaftliche Zerschlagung von Grundstücken ver-
hindert werden. Wenn jemand behaupten wolle, daß im
Osten irgend ein Gut unwirtschaftlich zerschlagen worden
sei, so müsse er bitten, ihm einmal ein Beispiel dafür anzu-
führen. Wenn man in Bayernund im Westen überhauptkilo-
meterlange Streifen von 3 bis 4 m Breite sehe, so müsse er
zugeben, daß dies bei dem schweren Boden unwirtschaftliche
Berschlagung sei. Aber für den Olten treffe dies nicht
zu; dort würden solche kleinen Parzellen nur da angekauft,
wo ein ganz leichter Boden vorhanden sei.
Die theoretische Anschauung verlange ein Mindestmaß
von 40 Morgen, damit der Bauer sich ein Gespann halten
könne. Wenn der Mann sich aber ein paar Morgen Sand-
boden kaufe, könne er das Grundstück sehr gut mit Hilfe
einer Kuh bewirtschaften. Nun werde eingewendet werden,
er könne sich auf einem solchen Grundstück nicht ernähren.
Aber es liege doch im volkswirtschaftlichen Interesse, daß
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