Full text: Die Staatsausgaben von Großbritannien, Frankreich, Belgien und Italien in der Vor- und Nachkriegszeit

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Problem -des internationalen Finanzvergleichs führte dann noch zu einer lebhaften internationalen 
Diskussion, an der sich Autoren vor allem in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, den Vereinigten 
Staaten, Rußland und der Schweiz beteiligt haben*). 
Il. Die Aufgaben der international vergleichenden Finanzstatistik, 
Auch die vorliegende Bearbeitung dieses alten Problems der Finanzstatistik, die das Statistische Reichs- 
amt hiermit der Öffentlichkeit vorlegt, entstand aus der Beschäftigung mit dem Problem des Steuer- 
belastungsvergleichs?). Bei der Untersuchung der Möglichkeiten eines wissenschaftlich einwandfreien 
Steuerbelastungsvergleichs wurde das Statistische Reichsamt aber dazu gedrängt, sich ein Bild von der 
gesamten Finanzstruktur der betreffenden Länder zu machen, da die Bedeutung der Steuern nur im 
Zusammenhang des ganzen Finanz- und Staatssystems richtig erkannt werden kann. Denn wie schon 
im Sachverständigengutachten?) ausgeführt wird, leidet der Steuerbelastungsvergleich daran, daß die 
volkswirtschaftliche Bedeutung der Steuern je nach ihrer Verwendung, d.h. je nach den Ausgaben, die 
aus ihnen bestritten werden, verschieden ist, Eine Steuer, die z, B, zu Reparationszahlungen an das 
Ausland verwandt wird, ist wirtschaftlich von ganz anderer Wirkung als eine solche, aus der Zins- 
zahlungen im Inlande oder z., B. Gehaltszahlungen gedeckt werden. Es ergab sich deswegen die Not- 
wendigkeit, den Finanzvergleich vorzubereiten durch eine Untersuchung über die verschiedene staatliche 
und finanzielle Struktur der Länder, die für den Finanzvergleich in Frage kommen, Dadurch kehrte die 
Arbeit von ihrem Ausgangspunkt des Belastungsvergleichs zu dem ursprünglichen Ausgangspunkt der 
Finanzstatistik, zur vergleichenden Staatenkunde, wie sie die Kameralisten betrieben haben, 
wieder zurück, Indem die Arbeit an Hand der Etatsziffern die verschiedenen Aufgabengebiete der 
einzelnen Staaten eingehend untersucht und zur Erkenntnis der Unterschiede gegenüberstellt, bildet sie 
eine Fortsetzung der früheren Versuche des 19. Jahrhunderts. 
Bei der Gliederung der Staatsaufgaben und der durch sie bedingten Staatsausgaben nach den ver- 
schiedenen Zwecken konnte diese Arbeit an die obengenannten Vorarbeiten anknüpfen. Aus den Studien 
der verschiedenen Internationalen Statistischen Kongresse, vor allem aber aus den Arbeiten der deutschen 
inländischen Finanzstatistik, die ja schon immer bei dem bundesstaatlichen Charakter des Deutschen 
Reiches vor die Aufgabe gestellt war, eine Reihe verschiedener Etats auf ein einheitliches Schema zu 
bringen, war bereits eine Gliederung der Staatsausgaben nach Zwecken gewonnen, die hier mit verhält- 
nismäßig wenigen Änderungen übernommen werden konnte, Ein solches »Einheitsschema« ist erforderlich, 
weil die Etats selbst die Ausgaben jeweils nach der verwaltungsrechtlichen Gliederung der Behörden- 
organisation bringen, Diese verwaltungsrechtliche Gliederung ist aber aus der jeweiligen staatlichen 
Entwicklung erwachsen und trotz bestehender Ähnlichkeiten in den abendländischen Staatsorganisationen 
nicht ohne weiteres international zu vergleichen. Diese Unterschiede der Verwaltungsgliederung suchte 
die Finanzstatistik schon immer auszuschalten, Aber sie blieb insofern rein finanzwissenschaftlich 
orientiert, als sie die Gliederung unter dem Gesichtspunkt lediglich der Staatsaufgaben vornahm. 
Höchstens erfolgte eine nur budgetrechtlich bedeutsame, sachlich unverwendbare Scheidung nach 
»ordentlichen« und »außerordentlichen« Ausgaben. Hierbei blieben aber noch. ganz entscheidende 
Gesichtspunkte volkswirtschaftlicher Art unberücksichtigt. 
Um die Strukturunterschiede in der Finanzwirtschaft der zu untersuchenden‘ Länder richtig heraus- 
arbeiten zu können, mußte diese Gliederung der Staatsausgaben nach Staatszwecken ergänzt werden 
durch eine Gliederung unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten nach »Ausgabearten«, 
Es mußte untersucht werden, wie sich die Finanzwirtschaft in den Prozeß der Einkommensbildung und 
Einkommensverwendung einfügt, Gerade ein Vergleich unter dem Gesichtspunkt der »Belastung« führt 
zu völligen Fehlschlüssen, wenn nicht auch die verschiedene volkswirtschaftliche Bedeutung der Staats- 
ausgaben, die verschiedene Bedeutung der »Ausgabearten« berücksichtigt wird, Hier versucht die vor- 
liegende Arbeit einen Ausbau der bisherigen Finanzstatistiken in methodischer Hinsicht vorzunehmen, 
?) Für weitere Literaturangaben vgl, S, 517 ff. 
*) Vgl. hierzu die Begründung, die das Statistische Reichsamt in seinem Überblick über das »Arbeitsgebiet des Statistischen Reichsamts 
zu Beginn des Jahres 1925: zur Einrichtung des Referates »Ausländische Finanz- und Steuerstatistik, internationaler Finanzbelastungsvergleiche 
zegeben hat: »Von den verschiedensten Seiten des In- und Auslandes wurden in der Vorkriegszeit wie auch in den letzten Jahren Vergleiche 
über die Steuerbelastung in den einzelnen Ländern angestellt. Im Gegensatz zur Vorkriegszeit haben diese Vergleiche gegenwärtig nicht nur 
A sondern sie sind auch von außenpolitischer Bedeutung. Durch den Vertrag von Versailles, 
“3 sn , gleich der Steuerbelastung Deutschlands und der Länder, die in der Kommission für Wiedergut- 
machung vertreten sind, zu einem Maßstab für die Beurteilung des deutschen Steuersystems geworden. Das Sachverständigengutachten hat 
liese Grundsätze anerkannt (vgl. Teil I, VIIIb, Teil I1a). Um die erforderlichen Arbeiten hierfür in die Wege zu leiten, ist das Referat »Aus- 
ändische Finanz- und Steuerstatistik, internationaler Steuerbelastungsvergleich« eingeführt worden« (Vierteljahrshefte zur Statistik des 
Deutschen Reiches, 1925, I, 8, 28). 
% Vgl. die amtliche Ausgabe der Sachverständigenberichte, Berlin 1924, 8. 55. 
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