Full text: Geschichte des öffentliche Kredites

Landmann, Geschichte des öffentlichen Kredites. 8 4. 
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Kredites, die städtischen Schuldtitel, namentlich die der Reichsstädte mit eigenem Terri- 
torium, unterscheiden sich im ausgehenden 17. und 18. Jh. kaum wesentlich von den- 
jenigen der Territorialfürsten. 
3. Andere Formen des öff. Kredites als die der deutschen, französischen und nieder- 
ländischen Städte bildeten die italienischen Stadtstaaten aus. Die Frage, ob hier- 
bei auf dem Wege über die Vorbild gewordene venezianische Kreditorganisation byzanti- 
nische Einflüsse wirksam gewesen sind, ist an dieser Stelle nicht zu erörtern; die Voraus- 
setzungen der Eigenart italienischer Organisationsformen sind vielmehr zulänglich durch 
Hinweis auf zwei Tatsachenkomplexe erfaßt: Zwangsanleihen und Abgabenpacht oder 
-verpfändung. Viel häufiger und in viel größerm Umfange als nördlich der Alpen erhebt 
die italienische Kommune Zwangsanleihen, deren Betrag zunächst auf die einzelnen 
Stadtteile oder Kirchspiele, alsdann innerhalb dieser auf die einzelnen Steuerpflicht igen 
umgelegt wird. Die Forderungsberechtigten wurden mit dem Betrage ihrer Forderungen 
in Schuldbücher eingetragen und hierbei häufig nach Stadtteilen zu Gruppen, Kompag- 
nien, zusammengefaßt, die bei der bestehenden starken Gemeinsamkeit der Interessen 
sehr leicht zu eigentlichen Stadtgläubigerverbänden mit eigenen Organen werden 
konnten, Dieses bei Zwangsanleihen ausgebildete System der Buchschuld und der 
Gläubigerverbandsbildung konnte natürlich auch auf freiwillige Anleihen übertragen 
werden, und wenn bei solchen die Gläubiger, soferne baldige Rückzahlung nicht gewähr- 
leistet schien, Spezialsicherungen durch Anweisung bestimmter Einkünfte forderten, so 
bot das in den italienischen Städten stärker und länger als in den deutschen oder nieder- 
ländischen verbreitete System indirekter Steuererhebung durch Steuerpächter und der 
{ließende Uebergang von Steuerverpachtungen zu -verpfändungen die Möglichkeit 
leichter Befriedigung solcher Sicherungsbegehren. Wie bei den Zwangsanleihen nach 
Stadtteilen, konnte bei solchen freiwilligen Anleihen die Organisation der Gläubiger 
nach dem Substrate der Schuldfundierung erfolgen durch Zusammenschluß der an jeder 
Anleihe mit eigenen Sicherheiten Beteiligten zu je einem Verbande. Auf diesen Grund- 
lagen beruht die Eigenart der Kreditorganisation, die trotz ihrer verschiedenen Bezeich- 
nungen in den einzelnen Städten (imprestitae in Venedig, montes in Florenz und auch 
sonst am häufigsten, comperae in Genua usw.) doch überall weitgehende Gemeinsam- 
keiten aufweist. 
Jede Anleihe hat ihre eigene Bezeichnung, meist entweder nach dem Charakter 
der zu ihrer Fundierung dienenden Steuer (mons farinae, mons carnium, mons vini, 
compera salis usw.) oder nach dem Zweck, dem der Anleihensbetrag zugeführt wurde 
(compera pacis, compera Corsicae, compera Venetorum, mons libertatis usw.), und jede 
zerfiel in eine bestimmte Anzahl ideeller, auf eine runde Summe lautender Anteile (loca, 
luoghi, partes). Spätere Zusammenlegungen, Konsolidierungen, gleichwertig gesicherter 
und gleich hoch verzinslicher Anleihen sind ebensowenig selten wie nachträgliche Ver- 
mehrung der Zahl der loca, und vereinzelt war auch die Zusammenfassung sämtlicher 
öder zumindest zahlreicher Anleihen zu einer Verwaltungseinheit möglich (Casa di S, 
Giorgio in Genua, Monte dei Paschi in Siena). Im Schuldbuch (cartularium) wurde jeder 
Gläubiger namentlich eingetragen, und jedem Anzahl und Betrag der ihm zukommenden 
Anleihensteile gutgeschrieben. Die gutgeschriebenen Beträge waren, namentlich solange 
die stadtrechtlichen Zinsmaxima in Kraft standen, nicht selten erheblich höher als die 
tatsächlich einbezahlten (Unterpariemission). Zur Einhaltung eines bestimmten Rück- 
zahlungstermins war die Stadt bei den montes, anders als bei den auch nach Ausbildung 
dieser Organisationsformen immer wieder begebenen schwebenden Schulden, meist 
nicht verpflichtet, den Gläubigern war ein Kündigungsrecht niemals eingeräumt. Die 
erste Konstituierung solcher Rentenschulden erfolgte nicht selten gegen den Willen 
der Gläubiger durch einseitige Aufhebung des Anspruches auf Rückzahlung älterer, 
fällig gewordener Anleihen, zu deren Rückzahlung die Mittel fehlten. 
Wie die Rentenschulden der deutschen waren auch die loca montium der italienischen 
Städte mannigfaltig gestaltet. Den Leibrenten entsprachen die loca der montes vacabiles, 
die mit dem Tode des Erwerbers verfielen, und die in zahlreichen Kombinationen, auch in Ver- 
bindung mehrerer Leben, ausgegeben wurden; eine dieser Kombinationen, Zuwachs der von den 
Ueberlebenden bezogenen Leibrenten um die Betreffnisse der mit dem Tode abgehenden Renten- 
empfänger, wurde später zum Vorbild der französischen Tontinen. Den Ewigrenten entsprachen
	        
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