Strukturwandlungen der Weltwirtschaft
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Wirtschaftskrisen grundsätzlich zu beleuchten. Die Notwendigkeit, diese
beiden wesensverschiedenen Bewegungsvorgänge in ihrer Eigenart und
ihrer wechselseitigen Beeinflussung genauer zu erforschen, stellt unsere
Wissenschaft vor Aufgaben, die dringend der Lösung harren, wenn anders
sie nicht gegenüber dem, was ist, hoffnungslos versagen will.
2. Über das Verhältnis zwischen Sonderraum und Gesamt-
raum sei das Folgende gesagt: In meinem Vortrage ist dies Verhältnis
fast ausschließlich vom Standpunkt des Willens der Sonderräume zum
Eigenleben betrachtet. Es ergab sich dies daraus, daß jener Wille zum
Eigenleben eine wichtige Ursache weltwirtschaftlicher Strukturwandlungen
ist. Demgegenüber liegt mir an der Feststellung, daß solcherweise die
Differenzierungstendenzen stärker in den Vordergrund getreten sind, als
es der Sachlage entspricht.
Wie schon gelegentlich angedeutet, sind der Entwicklung zur
»autarken« Wirtschaft in allen Ländern, sogar in den Vereinigten Staaten,
Grenzen gesetzt, jenseits deren der internationale Güter-
austausch naturbedingt ist und bleibt. Es wäre somit, ein-
gehender, als es im zweiten Teile meines Vortrages geschehen ist, zu
untersuchen, wo diese Grenzen liegen und wie sie im einzelnen wirksam
werden, mit andern Worten, in welcher Intensität sich neben den
diastaltischen die systaltischen Entwicklungstendenzen im Wirt-
schaftsleben der Erde durchsetzen. Diese Aufgabe zu meistern hat
Herr Kollege Eulenburg übernommen, der das Verhältnis von Volks-
wirtschaft und Weltwirtschaft in den Mittelpunkt seiner Darlegungen
rücken wird. Es sind deshalb in diesem entscheidenden Punkte die
Ausführungen des Herrn Korreferenten integrierender Bestandteil
meiner eigenen Darlegungen!. Indem ich dies hervorhebe, sei mir
gestattet, abschließend über das Gebiet exakter Erkenntnis hinaus-
zugehen und Betrachtungen anzustellen, die bewußt subjektiv-politischen
Willen zum Ausdruck bringen. Darin liegt nicht nur Anpassung an die
Traditionen des Vereins für Sozialpolitik, sondern zugleich der Wunsch,
an meinem bescheidenen Teile in schicksalschwerer Zeit auf die Zukunft
gestaltend einzuwirken.
Individualistisch-marktwirtschaftliches und universalistisch-raum-
wirtschaftliches Zielstreben stehen im dauernden Widerstreit, der sowohl
unter volkswirtschaftlichem wie unter weltwirtschaftlichem Gesichts-
winkel zu unersetzlichen Reibungsverlusten führt. Vermieden werden
könnten diese nur dann, wenn sonderraumwirtschaftliches und individual-
wirtschaftliches Zielstreben zu einer Synthese geführt würden, die grund-
x Vgl. den Aufsatz von Franz Eulenburg im vorliegenden Heft des »W. A.«, S. 509 ff.