Full text: Strukturwandlungen der Weltwirtschaft

Bernhard Harms 
WS 
SZ 
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ihr Wesen, statt es zu verändern, eher noch prägnanter zum Ausdruck 
bringt. Darauf wird zurückzukommen sein. In anderm Sinne hat sich eine 
Wandlung allerdings schon heute vollzogen, die vielleicht als die wich- 
tigste Strukturwandlung der Weltwirtschaft überhaupt angesprochen 
werden darf: das Herz des Weltkapitalismus schlägt nicht mehr in 
Europa, sondern in den Vereinigten Staaten von Amerika, denen im 
bevorstehenden Zeitalter des Hochkapitalismus die Führung zufallen 
wird, und von wo aus potenzierter kapitalistischer Geist seinen Siegeszug 
durch die jugendstarken wirtschaftlichen Neuländer nehmen wird, denen 
gegenüber Europa an das alternde Rom erinnert, das angesichts wach- 
sender sozialer Schwierigkeiten in der Brotverteilung an die Massen den 
Ausweg erblickte. Zweifellos liegt darin eine Tragik, deren Bedeutung 
bisher nicht ausreichend beachtet worden ist. Westeuropa glaubt im 
Begriff zu sein, die »Bestie« Kapitalismus zu überwinden und einem 
Zeitalter gemeinwirtschaftlicher Denkweise entgegenzugehen. In großen 
Teilen der übrigen Welt aber steht der Kapitalismus in noch jugend- 
lichem Alter und macht sich anheischig, das weltwirtschaftliche Schwer- 
gewicht der Erde aus der Alten in die Neue Welt zu verlegen, »Neue Welt« 
nicht nur im Sinne von Nordamerika verstanden. Daß dies gelingen 
wird, wenn Europa keine Renaissance seines kapitalistischen Geistes 
erlebt, steht für mich außer Zweifel. Kapitalistischer Geist wird ent- 
weder auf der ganzen Linie ausgerottet, oder aber diejenigen Völker, 
welche ihm vorzeitig entsagen, sind zum Abstieg verurteilt, ein Prozeß, 
der sich zunächst auf dem Rücken des Proletariats vollzieht. Die west- 
europäische Arbeiterschaft ist deshalb vor allem berufen, von den Unter- 
nehmern zu fordern, daß sie sich, solange dieses kapitalistische System 
überhaupt besteht, den kapitalistischen Geist bewahren, denn 
andernfalls ist das Ganze eine Farce. Privatwirtschaftliche Organisation 
der Wirtschaft ohne kapitalistischen Geist ist Widerspruch in sich selbst. 
Daß kapitalistischer Geist maturgemäß« zur Kampfstellung gegen 
die Lohnarbeiter führen müsse, ist in der Gegenwart eine groteske Vor- 
stellung, denn wenn unter den heutigen Verhältnissen die Herrschaft über 
Kapital der Einsicht enträt, daß zu den zahlreichen Voraussetzungen 
für höchstmögliche Verwertung des Kapitals Vermeidung von Kon- 
flikten und darüber hinaus Bekundung von Interessensolidarität mit 
der Lohnarbeiterschaft gehört, so ermangelt sie des kapitalistischen 
Geistes! Der Kapitalismus, der heute im Begriff ist, die Welt- 
wirtschaft aus ihren Angeln zu heben, hat diese Wandlung seines 
Geistes schon vollzogen und nicht zuletzt dadurch die Kraft des 
Handelns um das Vielfache gesteigert. Vielleicht darf ich sagen, daß 
er es gewesen ist, der innerhalb des Gefüges das Gebilde, ich meine das 
Gebilde der Unternehmung, mit allem, was in ihm lebt und wirkt, ver-
	        
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