Object: Die deutsche Wirtschaft

Deutschlands Stellung in der Weltwirtschaft, 37 
Die Klage über das Sinken der kaufmännischen und, 
wenn man so sagen darf, der technischen Moral im Deutsch- 
land der Nachkriegsjahre ist allgemein, 
Während des Krieges hörten wir aus allen Teilen der Welt, wie 
sehr man die deutschen Waren vermisse, Die Abschnürung unserer Aus- 
fuhr durch den englischen Blockadekrieg hatte in vielen Ländern zu- 
nächst die Wirkung, den Käufern recht augenfällis die Unentbehrlich- 
keit der deutschen Waren zu beweisen, Das galt besonders von Arz- 
neimitteln und Farben, die als Erzeugnis unserer hochentwickelten 
chemischen Industrie auf dem Weltmarkt eine herrschende Stellung 
einnahmen; sie hatten ein förmliches Monopol errungen, und zwar nicht 
durch irgendwelche Maßnahmen der Handelspolitik, sondern allein 
durch ihre Gediegenheit und Wohlfeilheit. Allenthalben sei der Welt- 
markt, so hörte man nun, da der Krieg die Zufuhr deutscher Farben 
abschnitt, von sehnsüchtigem Verlangen nach ihnen erfüllt. Die U. S. A. 
waren, bevor sie sich offen auf die Seite unserer Gegner stellten, froh, 
als die Erfindung unserer. Handelstauchboote die Zufuhr deutscher 
Farben wieder möglich machte, In Indien wurden bei den Versteige- 
rungen der letzten deutschen Farbenvorräte fabelhafte Preise erzielt, 
Die englische Regierung selbst machte, als sie wenige Monate nach 
Kriegsausbruch einer Privatfirma die Lieferung mehrerer tausend bri- 
tischer Flaggen übertrug, heimlich zur Bedingung: sie müßten mit deut- 
schen, nicht mit englischen Farben hergestellt werden. In Südamerika 
lehnten die Fabrikanten, die deutsche Farben nicht mehr erhalten 
konnten, jede Gewähr für die Genauigkeit der Schattierungen und mehr 
noch für die Farbenhaltbarkeit ihrer anders gefärbten Waren ab, 
Für mehr als eine Warengruppe der deutschen Industrie galt ähn- 
liches, Unaufhörlich wurde von dem „Hunger nach deutschen Waren“ 
berichtet, Hat unsere Industrie die glänzenden Möglichkeiten, die ihr 
auf Grund dieser Sachlage nach dem Kriege für den Absatz auf fremden 
Märkten winkten, tatsächlich ausgenutzt? An sich wurde ihr dies 
durch das katastrophale Sinken unserer Valuta nach dem Waffenstill- 
stand bedeutend erleichtert. Kaum war der eiserne Ring, den die 
Blockade um uns gezogen hatte, gebrochen, als die Aufträge an die 
deutsche Industrie massenhaft hereinströmten, obwohl die Konkurrenz 
anderer Industrieländer (zumal der Vereinigten Staaten) das Menschen- 
mögliche tat, um uns dauernd fernzuhalten. 
Was aber fremde Machenschaften nicht vermochten, das brachte 
unser eigenes Ungeschick zustande: der deutschen Industrie gar man- 
chen ausländischen Kunden zu entfremden. Das geschah durch drei 
Fehler, von denen jeder einzelne genügt hätte, eine Exportindustrie 
mit weniger glänzendem Ruf als die deutsche um Jahrzehnte zurück-
	        
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