Full text: Sozialpolitik in Österreich 1919 bis 1923

gehören, ausgeschlossen sei. Nach unserer Auffassung lag angesichts 
dieser Außerungen für das Obereinigungsamt kein Anlaß vor, 
den christlichen Gewerkschaftsvertretern mehr Glauben zu schenken 
als den Unternehmern; um so weniger, als ja die Unternehmer 
gewiß die ersten wären, die gegen eine parteiische Führung des 
Arbeitsnachweises sofort Einspruch erheben würden. 
In der Hauptsache sei noch auf die Resolution der XII. Voll- 
versammlung der Arbeiterkammern verwiesen, die entsprechende 
Ausgestaltung der Arbeitsvermittlung, insbesondere aber Vorsorge 
für die Deckung der Kosten durch Herausgabe einer Verordnung 
auf Grund der VI. Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz 
forderte. 
9. Industrielle Bezirkskommissionen. In den 
letzten Jahren haben auf dem Gebiet der sozialen Verwaltung die 
Industriellen Bezirkskommissionen große Bedeutung gewonnen, auf 
deren Schaffung und weitere Entwicklung die Gewerkschafts— 
kommission einen entscheidenden Einfluß ausgeübt und in der sie 
durch ihre Vertreter eine ersprießliche Tätigkeit im Interesse der 
Arbeiter und Angestellten entwickelt hat. Für die Errichtung der 
Industriellen Bezirkskommissionen war der Gedanke maßgebend, 
bestimmte Agenden der Sozialpolitik, an denen Arbeitgeber und 
Arbeitnehmer interessiert sind, nicht durch die zünftige Bürokratie, 
sondern nach den Grundsätzen der modernen Demokratie durch die 
Interessenten selbst verwalten zu lassen. Die gesetzliche Grund— 
sage für die Industriellen Bezirkskommissionen bildet die Voll— 
zugsanweisung des deutschösterreichischen Staatsrates vom 4. No— 
bember 1918, St.«“G.«Bl. Nr. 18, betreffend die Arbeitsvermittlung 
für die Zeit der Abrüstung. Dieser Verordnung zufolge sollten 
zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und ihrer Folgen nach dem 
Zusammenbruch Industrielle Bezirkskommissionen errichtet werden. 
Diese wurden paritätisch aus Vertretern der Arbeitgeber und 
Arbeitnehmer zusammengesetzt, die über Vorschlag der Berufs— 
bereinigungen vom Staatssekretär (gegenwärtig vom Bundes— 
minister) für soziale Verwaltung ernannt wurden. Als wichtigste 
Aufgaben wurden ihnen durch die genannte Verordnung einerseits 
die Obsorge für die Arbeitsvermittlung, anderseits die Durch— 
führung von Maßnahmen der Arbeitslosenfürsorge zugewiesen. In 
ersterer Richtung sollten sie vor allem auf die Errichtung pari— 
tätischer Arbeitsnachweise hinwirken. Die zweite ihnen übertragene 
Aufgabe wurde schon durch die Vollzugsanweisung des deutsch— 
österreichischen Staatsrates vom 6. November 1918, St.-G.-Bl. 
Nr. 20, betreffend die Unterstützung der Arbeitslosen, genau um— 
schrieben. Durch diese Verordnung wurde für jeden kranken— 
bersicherungspflichtigen, nach Deutschösterreich heimatszuständigen 
Arbeiter eine Arbeitslosenunterstützung in der Höhe des täglichen 
Arankengeldes eingeführt. Hiebei wurde den Industriellen Bezirks— 
tommissionen die Leifund aller Andgelegenheiten dieser Apbeits—
	        
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