Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

DER ÖSTERREICHISCHE RUNDSPRUCH 
Im Jahre I92I zeigten sich die ersten schüchternen 
Versuche des Rundfunks in Amerika. Ueberraschend 
Schnell griff die Radiowelle um sich, eroberte bereits 
ein Jahr später England und Frankreich und sprang 
dann nach Deutschland und Oesterreich über. 
Vorerst waren es bescheidene Anfänge, die ziemlich 
ünbeachtet blieben. Die Versuchsendungen eines 
100 Watt-Senders, der im Technologischen Ge- 
werbemuseum in Wien Aufstellung gefunden 
hatte, sammelten einen Kreis von Hörern um sich, 
aber die Geburtsstunde des Rundspruchs schlug eigent- 
lich erst, als im September 1924 die „Ravag” mit 
ihren Versuchssendungen begann, die mit dem I. Ok- 
tober 1924 in den offiziellen Rundfunkdienst über- 
gingen. Die Ravag ist eine Aktiengesellschaft, welche 
vom Bunde eine Konzession zur Durchführung des 
Rundspruchs und des drahtlosen Telegraphie- und 
Telephonieverkehres besitzt. Sie ging, unterstützt von 
dem gesetzlich umschriebenen Beirat, der alle maß- 
gebenden Faktoren des‘ Wirtschaftslebens und der 
Bundesländer sowie der Radioamateurverbände in 
seiner Mitte zählt, mit Eifer an die Arbeit. 
Bereits im Frühjahr 1924 wurde mit der Errichtung 
von Sendeanlagen begonnen. Vorerst wurde ein alter 
I KW Telegraphiesender, der im Kriegsministerium 
in Wien untergebracht war, zu Versuchen benützt. 
Im Juli 1924 wurde dann ein Rundspruchsender von 
I KW Leistung in Auftrag gegeben, die alte Mast- 
anlage im Kriegsministerium um I0 Meter erhöht, 
die Antennenableitung und Gegengewichtszuführung 
neu hergestellt, so daß die Herbstmesse 1024 bereits 
den neuen Sender im Betrieb sah. Mit großen 
Schritten ging die Entwicklung des Rundspruchs vor- 
wärts. Während Ende Oktober die Zah! der Radio- 
teilnehmer 30.000 betrug, war sie Ende Mai 1025 
bereits auf 155.000 angewachsen. Neue Mittel waren 
erforderlich, um den steigenden Bedürfnissen Rechnung 
zu tragen. Vor allem wurde in Graz ein Zwischen- 
sender von 500 Watt errichtet. Um ihm das Sende- 
Programm von Wien zutragen zu können, mußten 
langwierige Versuche unternommen werden. Die 
Leitungen selbst waren überlastet und so entschied 
man sich für das System der leitungsgerichteten Hoch- 
frequenztelephonie, welche es ermöglicht hat, die 
bestehenden F reileitungen zu benützen, ohne diese in 
ihrem gewöhnlichen Dienst zu behindern. Die Ver- 
Suche gelangen ausgezeichnet und am 30. März 1925 
konnte der Grazer Sender eröffnet werden. Unter- 
dessen mußte auch auf eine Erweiterung der Wiener 
Sendeanlagen Rücksicht genommen werden. Der 
»Stubenringsender” erwies sich auf die Dauer 
zu schwach. Er wurde auf die doppelte Energie ge- 
bracht, die Aufnahmeräume im Kriegsministerium 
vergrößert. Aber als wichtigsten Fortschritt des Rund- 
funks in Oesterreich mußte an die Errichtung eines 
Großsenders in Wien gedacht werden. Als Auf- 
stellungsort wurde nach reiflicher Ueberlegung das 
Gebiet des Hochquellenspeichers auf dem Rosen- 
ügel bei Mauer gewählt und im März 1925 ein 
sender von 7 KW Telephonieleistung in Arbeit ge- 
zeben. Gleichzeitig wurde ein Gebäude in der 
"ohannesgasse 4 für die Senderäume und Bureaus 
ımgebaut und ein IO km langes Spezialkabel durch 
lie Straßen Wiens zum Rosenhügel verlegt, um die 
studienräume mit dem Sender zu verbinden. Weih- 
nachten 1025 war der neue Sender betriebsbereit und 
ım 30. Jänner 1026 wurde der Großsender auf dem 
Aosenhügel dem Verkehr übergeben. Die Steuerung 
arfolgte jedoch vorerst noch von den Räumen im 
Kriegsministerium aus, da die neuen Aufnahmeräume 
ın der Johannesgasse erst gegen Ende April 1926 
bezogen werden konnten. 
Schwierig gestaltete sich der Ausbau der Zwischen- 
sender in den österreichischen Bundesländern. Die 
Wellenknappheit begann sich im Aether bereits fühl- 
bar zu machen. Das kleine Land Oesterreich konnte 
im Rahmen des inzwischen gegründeten Weltrund- 
‚unkverbandes nur schwer Anspruch auf mehrere 
jendewellen erheben, doch die unerwartet kräftige 
Zntwicklung des Österreichischen Rundfunks, das 
zroße Interesse aller Bevölkerungskreise an diesem 
1euen Mittel, Kunst, Wissenschaft und Nachrichten 
in die Welt hinauszutragen, gab den Ansprüchen 
Jesterreichs den nötigen Rückhalt. Und so konnten 
im Herbst 1925 auf Grund der damals abgehaltenen 
Wellenkonferenzen zwei Zwischensender in Arbeit 
zegeben werden, ein 500 Wattsender für Innsbruck 
ınd ein Sender. der gleichen Energie für Klagen- 
"urt. Beide Sender werden gleichfalls von Wien ge- 
;teuert. Während Graz jedoch im Rahmen der Wiener 
Sendungen auch ein stattliches Ligenprogramm auf- 
;tellt, sind die Lokalsendungen der andern öster- 
zeichischen Zwischensender beschränkter. 
Finstweilen ließen die steigenden Ansprüche er- 
kennen, daß auch die neuen Studienräume nicht 
allen Bedürfnissen Genüge leisteten. Und so gelang 
as bereits im Jahre 1925 die Säle des Konzert- 
hauses, die Volksoper und schließlich auch die 
Staatsoper an die Sender anzuschließen, so daß 
‚egelmäßige Uebertragungen erfolgen konnten. Außer- 
lem wurde eine Uhrenanlage eingerichtet, welche 
das. Zeitzeichen der Wiener Uhniversitätssternwarte 
überträgt. Der Rundspruch begann jedoch bereits in 
die Ferne zu greifen. Die ersten Uebertragungsver- 
suche der Salzburger Festspiele 1025 waren 
armutigende Anzeichen, daß die Zeit des europäischen 
Aundspruchs und Programmaustausches nicht mehr 
‚erne sei. Die Vebertragung der Beethoven- 
Zentenarfeier am 26. März 1927 brachte den 
\uftakt des mitteleuropäischen Programmaustausches,
	        
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