Full text: 10 Jahre Wiederaufbau

GEMEINSAME GEHILFEN- UND LEHRLINGSKASSE DER 
GENOSSENSCHAFTEN DER GASTWIRTE, DER KAFFEESIEDER 
UND DER HOTELIERE 
WIEN IV.. SCHAFFERGASSE 24 
Der langatmige Titel allein verrät schon, daß dieses 
Versicherungsinstitut aus drei, wenn auch beruflich 
ähnlichen Industrien, so doch durch die Zwangsge- 
nossenschaften getrennten Versicherungsinstituten ge- 
bildet wurde. Vor dem Kriege bestanden für die 
Versicherung der gastgewerblichen Arbeiterschaft gegen 
Krankheit drei Genossenschaftskrankenkassen, und 
zwar die der Genossenschaft der Gastwirte, der 
Kaffeesieder und des Gremiums der Hoteliere. Die 
Arbeiterschaft jedes dieser drei Industriezweige mußte 
wegen der Industrieähnlichkeit und der daraus ent- 
springenden Verwendungsmöglichkeit vermöge dieser 
Kassenteilung oft ihre Genossenschaftskrankenkasse 
wechseln. Sie verlor nicht selten durch diesen Wechsel, 
die aus der langjährigen Mitgliedschaft entsprungenen 
Rechte, sondern war deswegen auch gezwungen, den 
behandelnden Arzt zu wechseln, aus welchen Um- 
ständen. sie oft physisch und finanziell Schaden litt. 
Die Zusammenlegung dieser drei Kassen sicherte eine 
zentrale Verwaltung, sie sicherte ferner die Kassen- 
zugehörigkeit ohne Bedachtnahme auf das Arbeits- 
verhältnis in den drei gastgewerblichen Industrie- 
zweigen und ermöglicht durch die langjährige Kassen- 
zugehörigkeit Höchstleistungen, die ansonsten nur 
selten erreicht wurden. Der Mitgliederstand in 
allen drei Genossenschaftskrankenkassen betrug vor 
dem Kriege durchschnittlich 25.000; die Folgen des 
Krieges reduzierten den Stand auf 20.200. 
Was die Behandlung der Mitglieder betrifft, 
so darf wohl mit ruhigem Gewissen gesagt werden, 
daß sich dieselbe hoch über das Niveau der früheren 
sogenannten Armeleutebehandlung erhoben hat. Es 
stehen den Kassenmitgliedern zu deren Behandlung 
über 70 Rayonsärzte mit 20 Spezialärzten, zwe: 
Ambulanzärzte und der Chefarzt zur Verfügung und 
bedarf deren Inanspruchnahme keinerlei Schwierig- 
keiten, so daß, wenn auch in kleinerem Maßstabe 
Gelegenheit zur freien Ärztewahl geboten erscheint. 
n Für die Angehörigen der Versicherten wurde die 
Familienversicherung eingeführt, so daß den- 
selben das Recht auf freie ärztliche Behandlung, 
kostenlose Verabfolgung von Medikamenten und 
Heilbehelfen usw. gewährleistet erscheint. 
Die Ärzte werden unter Vermeidungeiner pauschalier- 
ten Vergütung vertragsmäßig nach dem Leistungsprinzip 
honoriert und sind verpflichtet, ihre Rezeptierungen nach 
dem jeweiligen Stande der medizinischen Wissenschaft 
vorzunehmen. Spezialmittel können ohne Beschränkung 
verschrieben werden und gilt eine Ausnahme nur dann, 
wenn die vom Arzte magistraliter verschriebenen 
Arzneien den gleichen Heilerfolg voraussetzen. 
Der Zahnpflege und dem Zahnersatz wird eine 
erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet und beschäftigt 
lie Krankenkasse einige Zahnärzte mit ihren Ambu- 
latorien das ganze Jahr hindurch. 
Zum Zwecke der Bekämpfung der Tuberkulose, 
welche nebst den Rheuma-Erkrankungen zu den 
3Zerufskrankheiten gehört, sind Frequenzverträge ab- 
zeschlossen, die den Mitgliedern die Aufnahme in 
len entsprechenden Heilanstalten, wie Grafenhof, 
Hörgas und Enzenbach sichern; außerdem gelang 
es auch, mit der Gemeinde Wien ein Abkommen zu 
'reffen, vermöge dessen lungenkranke Mitglieder auch 
in Traunkirchen, Alland und Grimmenstein 
ıntergebracht werden können. Zur Behebung der 
Rheuma-Erkrankungen besitzt die Krankenkasse Ver- 
'räge mit Baden, Schallerbach und Pystyan. Im 
Jodschwefelbad Deutsch-Altenburg, welches eine 
3öhere Frequenz aufweist, werden alljährlich Hunderte 
von Mitgliedern behandelt und erhalten diese dort- 
selbst außer ärztlicher Behandlung und Bäder noch 
vollständig freie Unterkunft und Verpflegung auf 
Kosten der Krankenkasse. In Bad Schallerbach wurde 
zereits ein größeres, zweckentsprechend gelegenes 
Grundstück zum Bau einer Heilanstalt erworben und 
steht dessen Aufbau in nicht allzu großer Ferne. 
Zur Vorbeugung der Tuberkulose, zur Behebung der 
Blutarmut und Schwäche, zur leichteren Heilung von 
Frkrankungen der Atmungsorgane und der Lunge, 
wie auch zur Kräftigung der Nerven und des Körpers 
überhaupt — speziell vor und nach der Operation — 
hat die Krankenkasse ein Erholungsheim in 
Rosenburg am Kamp errichtet. Dasselbe hat einen 
lurchschnittlichen Belagraum für hundert Patienten, 
antspricht den modernsten hygienischen Anforderungen 
und besitzt nebst sonnigen Liegehallen auch Obst- 
und Ziergärten, die, mitten im Nadelwalde, ein un- 
schätzbares und ozonreiches Luftreservoir darstellen. 
Für Mutterberatung und Kleinkinderfür- 
sorge wurde ein Einvernehmen mit der Gemeinde 
Wien erzielt, welches es der schwangeren Frau er- 
möglicht, nicht nur die Mutterberatungsstellen zu 
‘requentieren, sondern auch ihre Fürsorgerinnen in 
Anspruch zu nehmen; die Krankenkasse stellt daher 
auch hier genügend Mittel zur Verfügung, um schon 
beim Kinde die Gefahr künftiger Erkrankungen nach 
Tunlichkeit zu bannen. 
Die Krankenkasse weist im letzten Jahre zirka 
3000 Erkrankungen mit über 300.000 Krankheits- 
:agen auf. Für Mitgliederzwecke allein werden gegen- 
wärtig in einem Jahre weit über eineinhalb Mil- 
ionen Schilling ausgezahlt.
	        
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