DAS ÖSTERREICHISCHE PATENTAMT SEIT DEM UMSTURZ
Von Präsident Sektionschef K. Bergmann.
Mit dem Zusammenbruch des alten österreichischen
Staates schien anfänglich auch der Weiterbestand des
mit I. Jänner 18990 in Wirksamkeit getretenen Patent-
amtes in Frage gestellt. Die allgemeine finanzielle und
wirtschaftliche Not dieser traurigen Zeit sowie die große
Niedergeschlagenheit, die die ganze Oeffentlichkeit er-
‘aßt hatte, ließen den Plan einer einschneidenden
organisatorischen Umgestaltung des Amtes, bei der auch
bewährte Grundlagen — zum Beispiel die Vorprüfung —
hätten vernichtet werden sollen, aufkommen, ja von
mancher, die Verhältnisse durchaus verkennender Seite
sogar den Ruf nach gänzlicher Auflassung des Amtes
artönen. Wenn es trotzdem gelang, das — wie kaum eine
andere staatliche Stelle — mit dem. heimischen Wirt-
schaftsleben in innigem Zusammenhang stehende und
darüber hinaus noch wichtige, zwischenstaatliche Be-
ziehungen pflegende Patentamt zu erhalten, ja — wie im
folgenden gezeigt werden wird — neuerdings zu beleben
und zu heben, so ist dies der reichen Aufklärungsarbeit
in allen maßgebenden Stellen, dem erfreulichen Zusammen-
wirken der beteiligten Kreise und der Arbeit eines für
lie Sache begeisterten Beamtenkörpers zu verdanken.
Gleich in den ersten Monaten der Republik ging man
daran, den „Kriegschutt” zu beseitigen : Die Vergeltungs-
naßnahmen der Kriegszeit auf dem Gebiete des gewerh-
üchen Rechtsschutzes wurden aufgehoben und die zer-
rissenen Fäden der zwischenstaatlichen Beziehungen
wieder angeknüpft. Oesterreich, das dem 38 Staaten mit
einer Bevölkerung von ungefähr 750 Millionen um-
‘assenden Pariser Unionsvertrage .zum Schutze des
gewerblichen Eigentums und dem Madrider Abkommen
über die internationale Markenregistrierung angehört,
trat im Jahre 1920 auch dem Berner Abkommen über
lie Erhaltung und Wiederherstellung der durch den
Weltkrieg beeinträchtigten gewerblichen Figentumsrechte
bei. Gleichen Schrittes mit der Hebung des Lebens-
willens von Volk und Staat erfolgte dann, begünstigt durch
lie Befestigung unseres Geldwesens infolge der Genfer
Sanierung, die Sicherung der finanziellen Grundlagen
des Patentamtes: Die Gebühren wurden allmählich
erhöht, neue besondere Gebühren für amtliche Aus-
'ertigungen und Veröffentlichungen über gewerbliche
Schutzrechte eingeführt und die Finrichtungen des
Amtes und des Verfahrens vereinfacht, wodurch auch
zine bedeutende Personalverminderung erzielt wurde.
Die finanzielle Ordnung ist nun seit drei Jahren voll-
ständig hergestellt: Die Einnahmen decken nicht bloß
den ganzen persönlichen und sachlichen Aufwand,
sondern es wird auch noch ein jährlich steigender,
bedeutender Ueberschuß erreicht. Dies alles, ohne
daß gegen die Höhe der — vielen anderen Staaten
zegenüber noch mäßigen — Gebühren Klage geführt
wurde. Dieser schöne Erfolg ist wirtschaftlich noch höher
zu werten, wenn man bedenkt, daß fast die Hälfte aller
Anmeldungen aus dem Auslande kommt, das auch an
den tatsächlich erteilten Patenten mit einem großen
Prozentsatz beteiligt ist. (Von den im Jahre 1927 erteilten
3200 Patenten gehören 2110 Inhabern, die ihren Wohn-
3itz [Sitz] im Auslande haben). Große Summen aus-
ländischer Valuta kommen also durch die Patentgebühren
alljährlich in das Land und tragen in bedeutendem Maße
zur Erhaltung dieses in erster Linie der inländischen
Wirtschaft dienenden Amtes bei!
Auch wichtige gesetzgeberische Arbeiten auf dem
Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes sind seit dem
Umsturz durchgeführt worden. Es seien hier nur erwähnt
die Bundesgesetze vom 26. September 1923, RGBI. Nr. 531
gegen den unlauteren Wettbewerb, vom 20. Februar
1024, BGBl. Nr. 56, über die Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand auf dem Gebiete des gewerblichen Rechts-
;chutzes, vom 27. Jänner 1925, BGBl. Nr. 67, über den
Prioritätsschutz für Erfindungen, Marken und Muster
auf Ausstellungen, die Patentgesetznovelle vom 2. Juli
1925, BGBL Nr. 210, (die unter anderen wichtige neue
Bestimmungen über die Erfindungen von Dienstnehmern
ınd die Verlängerung der Höchstdauer der Patente von
5 auf 18 Jahre enthält), und endlich das Bundesgesetz
‚om 18. April.1028, BGBl. Nr. 116, mit dem auf Grund
ler Beschlüsse der Haager Konferenz (1925) der Ver-
‘ragsländer der Pariser Union und des Madrider Ab-
kommens wichtige Aenderungen bzw. Ergänzungen des
Patentgesetzes, des Markenschutzgesetzes und des Muster-
schutzgesetzes durchgeführt wurden. Im Jänner 1920
zelang es auch, den Umzug in das Gebäude des ehe-
naligen Kriegsministeriums I., Stubenring 1, zu vollziehen,
vo vollkommen entsprechende Räume zur Verfügung
zestellt wurden. Die Bücherei des Patentamtes, mit ihren
"und 170.000 Bänden, stellt eine unermeßliche Fund-
zrube technischen Wissens dar und ist nach der Bücherei
les Reichspatentamtes in Berlin wohl die bedeutendste
Zinrichtung dieses Faches auf dem Kontinente. Sie ent-
1ält, im Austauschwege fortwährend ergänzt; zunächst
die Patentschriftensammlung, die weit über eine Million
ımerikanischer Patentschriften, eine vollständige Samm-
ung der englischen Patentschriften vom Jahre 1618 an;
lann die deutschen, französischen, Schweizer, ungari-
chen, tschechoslovakischen, polnischen und nieder-
‚ändischen, ja selbst die japanischen und australischer
Patentschriften aufweist.
Der außerordentlichen Zunahme der Apr-
meldungen Rechnung tragend, wurde der zu sehr
reduzierte Stand der technischen Vorprüfer in den
'‚etzten zwei Jahren um mehr als ein Dutzend iunge
Mitarbeiter ergänzt.
Wenn wir die kurz geschilderte Entwicklung des Oester-
veichischen Patentamtes überblicken; so müssen wir mit
“reude feststellen, daß die Optimisten hier wieder einmal
zoll und ganz Recht behalten haben: Die Tätigkeit des
Amtes hat in ganz unerwarteter Weise zugenommen.
Die Zahl der Anmeldungen im Jahre ist von dem Tief-
stand des Jahres 1019 — 4907 — auf fast das Doppelte
zestiegen, sie wird am Ende dieses Jahres sicher die
Summe von 8600 erreichen; das Ansehen des Amtes
im In- und Auslande ist im Wachsen und so bietet uns
lieser günstige Stand die erfreuliche Gewähr, daß das
Jesterreichische Patentamt seiner Aufgabe, an der vollen
Gesundung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Republik
nitzuarbeiten, auch in Hinkunft gewachsen sein wird.