ALLGEMEINE EINLEITUNG 13
immer schwach, weil ja die organisierten Arbeiter nur sehr geringe
Beiträge zu entrichten vermögen. Die Beschränkung der Organi-
sationsgrundlage hindert die Abdeckung schwerer Risiken, wie
z. B. lang andauernde Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit. Die
gewerkschaftliche Genossenschaftshilfe hat also nicht nur bei der
Entstehung schwer zu kämpfen, sondern sie bleibt auch auf ein
enges Tätigkeitsgebiet beschränkt und verfügt immer nur über
geringe Hilfsquellen. Andererseits bildet sie doch die Grundlage
einer Organisation, welche mit Hilfe der öffentlichen Behörden
erhebliche Bedeutung zu gewinnen vermag.
DAs EINGREIFEN DES STAATES
IND DIE ENTWICKLUNG DER HILFSVEREINE AUF ÖEGENSEITIGKEIT
Im Laufe der letzten 30 Jahre des 19. Jahrhunderts ändert der
Staat seine Haltung und greift immer entschiedener in die Lösung
der Fragen des Arbeiterschutzes ein. Diese Änderung hat ver-
schiedene Ursachen. Zunächst hat sich der Gesetzgeber selbst
geändert. Er wird jetzt auf der Grundlage des allgemeinen Wahl-
rechts berufen und muss daher den Bedürfnissen der Arbeiter-
klasse Rechnung tragen, Diese ihrerseits hat im Stimmzettel
eine mächtige Waffe, weil ihr ja ein grosser Teil der Wähler angehört.
Ferner werden die Gewerkschaften immer zahlreicher und stärker.
Sie bilden Gewerkschaftsverbände, welche auf Parlamente und
Regierungen weitgreifenden. Einfluss ausüben. Die Ausbreitung
sozialistischer Gedanken nimmt zu und stärkt das Klassenbewusst-
SCe1IN.
Die Befürwortung des Staatseingriffs wird reger. Der alte,
eingriffeindliche Liberalismus sieht sich auf wirtschaftlichem wie
auf sozialem Gebiet mehr und mehr zurückgedrängt. Die öffent-
lichen Gewalten geraten unter den Druck der Organisationen und
werden dabei auch von den hervorragenden Lehrmeinungen und
von den eigenen Erfahrungen beeinflusst. In der Erkenntnis, dass
die vollkommene Freiheit bei Abschluss des Arbeitsvertrags und
das Verbot der Betätigung beruflicher Solidarität zur Herrschaft
des Arbeitgebers führen muss, weil dieser der stärkere ist,
beschränkt sich der Staat nicht mehr auf die Genehmigung von
Volkswohlfahrts- oder Unterstützungseinrichtungen, auf die Re-
gelung der Beziehungen zwischen ihren Leitern und den Bezugs-
berechtigten nach allgemeinem bürgerlichen Recht, sondern er
fördert die Hilfsvereine durch Erlass besonderer, sie gegenüber