Full text: Revolution und Konterrevolution in China

China ist nur dem Namen nach ein einheitliches Land. Es befindet 
sich tatsächlich als Staat noch in der Periode des Lehnssystems, des 
mittelalterlichen Lehnsstaates. Jede Provinz ist in Wirklichkeit poli- 
tisch, wirtschaftlich und sogar sprachlich selbständig, Ein an sich 
einheitliches Volk ist in miteinander nur lose verbundene Teile zer- 
rissen, Ein Teil Chinas versteht den anderen nicht: Der Süden kann 
sich nicht mit dem Norden, der Norden nicht mit Mittelchina ver- 
ständigen. Dies und die zahlreichen Ueberreste des Mittelalters beein- 
flussen in. eigenartiger Weise die politischen Ereignisse, die nationale 
Revolution und die Wechselbeziehungen zwischen dem gegenwärtig 
aufständischen chinesischen Volke und der Außenwelt. Kommt man 
nach China, so lernt man zunächst den modernen Teil kennen, man 
gerät nach Schanghai, in das industriell schon mehr oder weniger ent- 
wickelte chinesische Küstengebiet. Begibt man sich aber vom 
industrialisierten und sich noch im Industrialisierungsprozeß befind- 
lichen Gebiet in das Innere; etwa von Schanghai den Jangtsekiang 
(Großer oder Gelber Fluß). aufwärts, so kann man, wenn man sich 
die Muße nimmt, aus nächster Nähe die förmlich übereinander ge- 
lagerten Schichten der verschiedenen, uns aus dem Geschichtsunter- 
richt bekannten historischen Perioden beobachten und studieren, Damit 
muß man in erster Linie rechnen, das muß man vor: allem im Auge 
behalten. Wer an China als ein einheitliches Industrie- oder voll- 
ständig feudales Land herantritt, der wird von den stürmischen Ereig- 
nissen, die sich heute im sogenannten „toten“ China abspielen, nichts: 
begreifen. 
FORMEN UND METHODEN DER 
IMPERIALISTISCHEN HERRSCHAFT IN CHINA 
Das Nächstfolgende, das den aufmerksamen Beobachter erstaunen 
läßt, ist die Art, wie der Imperialismus China durchdringt. In unseren 
schriftlichen und mündlichen Betrachtungen setzen wir häufig — weil 
wir unwillkürlich den Vergleich mit unserer Revolution ziehen — den 
imperialistischen Einfluß gleich dem äußeren Druck des Imperialismus. 
Uns, die wir die Oktoberrevolution und die Jahre des Kampfes gegen 
den Imperialismus erlebt haben, scheint die imperialistische Be- 
drückung Chinas als Folge der Ideenverbindung etwa die gleiche zu 
sein wie der seinerzeit oder jetzt noch auf die Sowjetunion ausgeübte 
Druck. Dem ist aber nicht so. In China befindet sich der Imperialis- 
mus im Innern des Landes selbst, er ist im chinesischen Wirtschafts- 
leben verankert, beherrscht die wichtigsten wirtschaftlichen Arterien 
und Hilfsquellen des ungeheuren, vorläufig aber noch industriell 
schwach entwickelten Chinesischen Reiches, Das tritt wiederum bei 
der ersten flüchtigen Berührung mit China am stärksten zutage, Gewiß. 
in erster Linie wird das Auge gefesselt von den militärischen Kräften 
der Großmächte (Flotte, Artillerie, Flugzeuge usw.), den zahlreichen 
fremden Panzerkreuzern im Hafen von Schanghai (im Juni waren-.es 
40 Kriegsschiffe aller Nationen) oder von Hankau (wo wir rund 30 
solcher Schiffe zählten) und auf dem Jangtsekiang (auf dem wir sie
	        
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