DIE BALTISCHE WiRTSCHAFT
Ein Rückblick auf die Entwicklung Polens
Lettlands und Estlands im Jahre 1927
Sonderbeilage zur Nr. 129 vom 6. Juni 1928 der „Baltiigen Dreifie“. Danzig.
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POLENS FINANZLAGE IM JAHRE 1927
Von STEFAN STARZYNSKI
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Als drittes -staatliches Kreditinstitut” Tet=te” Dol-
nische Postsparkasse (P. K. O.) zu erwähnen; Die
Summe der Einlagen in diesem Institut ist von 128,8
Millionen auf. 200,9 Millionen Zioty gestiegen, d. i. um
'2,1 Millionen Zloty oder 56 Prozent. Im Einzelnen er-
1öhten sich die Spareinlagen von 24,6 Millionen auf
57,6 Millionen Zioty, d. h. fast um dreimal, was ein
sprechender Beweis sowohl für die allgemeine Besse-
ung der Wirtschaftslage als auch für die Zunahme des
/ertrauens zum Staate ist... Der Saldo der Scheckkon-
en hatte eine Zunahme von 104,2 Millionen auf 133,3
Millionen Zioty (25 Prozent) erfahren. “
Es ist zu erwähnen, daß der langfristige Krectit,
ler für Polen eine besondere Bedeutung besitzt, im
‚ergangenen Jahre bedeutend gestiegen ist. Die. ge-
:aamte Erhöhung des langfristigen Kredits stellte sich
auf 601,0. Mültonen Zioty, was einer Verdreifachung
ıtspricht.
Das Jahr. 1927 gestaltete sich in finanziceHer Hin-
sicht für Polen. äußerst günstig. Die. fortschreitende
Entwicklung der Finanzen: des polnischen Staates hat
es mit sich gebracht, daß. die bisher Polen gegenüber
eine gewisse Zurückhaltung ausübende Finanzwelt ihre
Aufmerksamkeit nunmehr. auf die Republik gelenkt hat,
in der Absicht mit ihr in normale finanzielle Beziehun-
gen zu treten, die der Bedeutung Polens in Europa
Rechnung tragen. Als das weitragendste Ereignis auf
finanziellem Gebiet dürfte im Jahre 1927 zweifels-
ohne der von der polnischen Regierung getätigte‘ Ab-
schluß der Auslandsanleihe bezeichnet werden, welche
die Garantierung der durch. eigene Kräfte erlangten
Stabilisierung der ‚polnischen Valuta sowie die Eröff-
nung der. bisher verschlossenen: Möglichkeiten für eine
10rmale Zusammenarbeit des internationalen Kapitals
mit dem polnischen Markt zum Ziele hat.
Die‘ günstige: wirtschaftliche Entwicklung Polens
ermöglichte im Jahre 1927 eine erhebliche Erhöhung
des staatlichen Budgets gegenüber dem Vorjahre. Die
zesamten Einnahmen des polnischen Staates: sind von
1 930,4 Millionen Zioty auf 2 797,4 Millionen Zloty ge-
stiegen; das ist um 45 Prozent, wobei die rein budge-
läreir Einkünfte eine Zunahme um 34 Prozent, nämlich
von 1.895,2..Millionen auf. 2 545.0. Millionen. Zloty.
erfahren haben. ® gm
. Die Rubrik der Einkünfte aus der Emission des
Papierkleingeldes, welche. infolge der Wirtschaft vor
dem Mai 1926 noch beibehalten werden mußte, ist im
Jahre. 1927 vonder Einnahmenseite vollständig. ver-
schwunden.-. Anstatt dessen figuriert in Jahre 1927
auf der Ausgabenseite die Position des Auskaufs von
Papierkleingeld, da ‚nämlich die polnische Regierung
den Ueberschuß ‚an diesem Gelde im Einklang mit dem
Stabilisierungsplane etappenweise aus ‚dem Verkehr
zicht..
Gleichzeitig mit der Zunahme der Staatseinkünfte
sind auch die Ausgaben, allerdings unter Beibehaltung
der für die Festigung der staatlichen Reserven un-
entbehrlichen. Ueberschüsse, gestiegen. Eine Analyse
der Ausgaben läßt die Feststellung zu, daß die Besse-
rung der budgetären Lage die Erhöhung der Investi-
tionsausgaben ermöglicht hat. Die günstige .Finanz-
lage des ‚polnischen Staates im Jahre 1927 hatte zul
Folge, daß der Ueberschuß der Finanzfonds, welcheı
zu Beginn des Jahres‘ 196,7 Millionen Ztoty betrug,
gegen Ende des Jahres um‘ 180 Prozent gestiegen ist
und die. ansehnliche Höhe von 550,1 Millionen Zloty
erreicht hat. Diese günstige Erscheinung ist in hohem
Maße auf den Ueberschuß der: Budgeteinnahmen über
die Ausgaben, der 276,2 Millionen Zloty betrug, zurück-
zuführen; der Rest setzt sich aus den Einkünften aus
der Stabilisierungsanleihe zusammen.
Von der Besserung der Geldlage in Polen zeugt u
a. die Steigerung des Geldumlaufs um 28 Prozent so-
wie ferner die bedeutende Besserung des Verhältnisses
zwischen den Banknoten der Bank Polski einerseits
und andererseits dem Papierkleingeld und Hartgeld
das vom Staatsschatz emittiert worden‘ ist.
‚Die Zunahme des Geldumlaufs in Verbindung mit
der gesundeten Zusammensetzung dieses Umlauts
zeugt von einer günstigen Entwicklung der Tätigkeit
der Bank Polski. Vergleichen wir die Bruttobilanzen
der. Bank Pokki vom 31. 12. 26 (welche gemäß dem
neuen Statut unter Berücksichtigung des wirklichen
Wertes des Metall- und Valutavorrats in Umlaufzioty
umgerechnet wurde) und vom 31. 12. 27, so müssen
wir vor allem feststellen, daß ‘die Bilanzsumme fast
um das Doppelte, nämlich von 1051,8 Millionen auf
2.078,7 Millionen Zloty gestiegen ist. Auch die Kredit-
jätigkeit der Bank Polski konnte im Jahre 1927 .‚be-
deutend erweitert werden. Als Maßstab der gebesser-
ten Kreditlage kann vor allem die Höhe - des Diskont-
satzes gelten, der im Laufe des Berichtsjahres von 9%
Prozent auf 9 Prozent im Februar, auf 8% Prozent im
Möro und auf & Dratent im Mai ermäßiot worden ist
Seit dieser Zeit hat. der Diskontsatz der Bank. Polski
cxeine Aenderung erfahren,
Den staatlichen. Banken‘ in Polen kommt mit
dücksicht darauf, daß die Bedeutung des staatlichen
Credits trotz des allgemeinen Kreditaufbaus sehr groß
st, eine besondere Bedeutung zu. Die Bilanzsumme
ier Bank . Gospodarstwa Krajowego‘ (Landeswirt-
;chaftsbank). ist.von 769 Millionen auf 1334 Millionen
7toty gestiegen, während die langfristigen Anleihen in
Mandbriefen und Obligationen im Laufe des Jahres um
69,7 Millionen. (von 169,8 Millionen auf 393,5 Millio-
ıen) zugenommen haben. Die Emissionstätigkeit deı
3ank Gospodarstwa Krajowego ist mithin im Laufe
les Berichtsjahres verdoppelt. worden, wobei die Er-
1öhung insbesondere in das zweite Berichtsjahr fällt.
: In ähnlich günstiger Weise entwickelte sich. die
>anstwowy Bank Rolny (Staatliche Agrarbank), deren
3ilanzsumme im Laufe des Jahres 1927 um über drei-
nal von 93,2 Millionen auf 303,4 Millionen Zioty und
‚usammen mit den administr. Fonds auf 424,0
‘Aillionen.. Zioty gestiegen ist... Der langfristige Kredil
vurde in der Panstwowy Bank Rolny erst im Jahre
926 aufgenommen, sodaß. hier die Steigerung um 12
nal, nämlich von 4,5 Millionen auf 41,4 Millionen
"toty besonders in die Augen fällt... x
Wie aus obigem ersichtlich ist, hat sich also die
Finanzlage Polens im Jahre 1927 wesentlich gebessert.
m Zusammenhang damit ist das Vertrauen der Finanz-
welt zu Polen: auf dem europäischen und amerika
schen Markt in hohem Maße gestiegen, Diese Tat-
sache findet ihren Ausdruck in den Verhandlungen der
»olnischen Städte, der wirtschaftlichen Organisatimen
und .der einzelnen Unternehmen über weitere Auslinds-
ınleihen sowie. in. dem Zufluß neuen fremden. Kapitals
ı1ach Polen.
WEN
POLENS EISENHUETTENINDUSTRIE
In dem Maße, in dem das Wirtschaftsleben in Po-
en zu den normalen Entwicklungsbedingungen zurück-
ehrt, läßt - sich auch eine bedeutende Besserung aul
ıllen Gebieten dieses Wirtschaftsiebens . beobachten
Zesonders deutlich tritt diese Erscheinung in der
Zisenhüttenindustrie zutage, deren rapide Entwicklung
yereits 1926 begann und insbesondere dank der Nor-
nierung der. wirtschaftlichen Verhältnisse in Polen das
sanze Jahr 1927 hindurch bis auf den heutigen Tag
inhielt.. Wie‘ bekannt sein dürfte, arbeitet die . pol-
sche Eisenhüttenindustrie zum größten Teil (80 Pro-
ent) für. den Inlandsmarkt. Sie ist demnach voll-
tändig von.dem Verbrauch im Inlande, dessen Höhe
\isher noch viel zu wünschen übrig ließ, , abhängig
Ein deutlicher. Umschwung zum Besseren erfolgte
m. vergangenen Jahre, als nach über 2 Jahren voll
;tändigen wirtschaftlichen Stillstands in Polen eine
sewisse Besserung in der Bauindustrie und metallver-
wbeitenden Industrie eintrat, die Investierungen im
3jsenbahnwesen begannen und im Zusammenhang da-
nit der Eisenverbrauch im Inlande zunahm. . Noch im
ahre 1926 betrug der Eisenverbrauch in Polen kaum
21,6 kg. pro Kopf der Bevölkerung, 1927 dagegen
’ereits 30,8 kg. .
Wenn die Entwicklung des Wirtschaftslebens in
>olen weiter. in dem Tempo vorwärtsschreiten wird,
vie heute, dann wird die Produktion der polnischen
lüttenindustrie schon in kurzer Zeit die Höhe des
ahres 19*3 erreichen. Nachstehend lassen wir eine
"abelle folgen, welche die Produktion der polnischen
Tütten in den Nachkriegsjahren verglichen mit dem
ahre 1913 illustriert: ,
Hochöfen Stahlwerke Walzwerke
Tonnen % Tonnen .% Tonnen %
1913 1031123 100,0 1660522 100,0 1198524 100,0
«922 480125 46,6 1007488 60,7 747617 62/4
1923 519635 50,4 1132306 68,2 2777460 64,5
1924 334451 324 682410. 41,1 470859 39,3
“925 314564 30,5 2782243 47,1 2585834 48,9
926 327471 31,7 788078 47,4 562068 46,9
927 617432 590 1246223 750 922753 76,8
lem die Eisenindustrie Polens nach dem 2 Jahr datern-
len -Rückgang sich wieder von Neuen zu entwickeln be-
yann. ‘Diese Entwicklung tritt insbesondere im Jahre
‚927 in Erscheinung. Im März d. J. gestaltete sich die
>roduktion der polnischen . Eisenhüttenindustrie im
Vergleich mit dem Jahre 1913 in. Prozenten ausge-
{rückt folgendermassen:
Hochöfen. . 67,6 Prozent .
Stahlwerke ; 85,5 Prozent
© Walzwerke . 95,5 Prozent
. Produktion der Eisenhütten in Tonnen:
Monatsdurch- Roheisen Gußstahl Walzerzeug-
>. schnitt nisse”
1913 85.927 138.376 99.877
1922 40.010 83.957 62.301
1923 43.303 94.359 64.758
1924 27.871 56.867 39.238
1925 26.214 65.673 48.820
1926 27.289 . 65.188 46.839
1927 51.451 103.706 72.912.
1928 Januar 59.105 104.285 69.881
‚928 Februar 54.507 102.382 80.736
928 März 58.124 118.351 95.042
Alle Anzeichen sprechen dafür, daß die Produk-
ionsziffern der nächsten Monate des laufenden Jahres
ıoch günstiger ausfallen werden, zumal die erwar-
ete bedeutende Belebung der Baubewegung zur Stei-
zerung des Bedarfs sowohl seitens der Regierung als
uch der Selbstverwaltungen und Privatkreise bei
ragen dürfte. Eine günstige Konjunktur für die
Jüttenindustrie auch für die Zukunft versprechen ” die
rveplanten Investierungen der Regierung, wie. Bau und
Ausbesserung der Brücken, Erweiterung des Eisen-
yahnnetzes, Hafenbau etc. So gestaltet sich die Lage
uf .dem Innenmarkt, Wenden wir uns jetzt dem Aus-
andsmarkt zu.
Der ausländische Eisenmarkt ist für die polnische
Hsenindustrie ein Terrain des Kampfes mit den In-
lustrien der benachbarten Länder, welche sich um {je-
len Preis bemühen, der polnischen Hüttenindustrie das
/erkaufsrecht insbesondere in denjenigen Ländern
streitig zu machen, die infolge ihrer geographischen
Lage sich als Absatzmärkte für Polen am besten eignen.
Wie aus obiger Zusammenstellung hervorgeht,
allen die Jahre 1926 und 1927 in den Zeitabschnitt. ir