Full text: Die Lehren des Marxismus im Lichte der russischen Revolution

nissen der Menschen zu tun haben, können naturgemäß, nicht 
durch ideelle Bestrebungen geleitet werden, — der, Antrieb 
'hrer Tätigkeit ist Bereicherungssucht. 
Dieses Interesse fällt in der sozialistischen Gesellschaft 
weg, da es ihrem egalitären Geiste zuwiderläuft. Allein 
sollte der Unternehmungsgeist in der sozialistischen. Gesell- 
schaft nicht ganz verschwinden, würde es ihm, angesichts 
der vollständigen Bureaukratisierung des Wirtschaftslebens, 
schwer fallen, sich durchzusetzen. Man wird vielleicht 
einwenden, die sozialistische Gesellschaft werde an die 
Spitze ihrer Unternehmungen möglichst begabte Organisa- 
toren stellen, die allen vorgeschlagenen technischen Neue- 
rungen die größte Aufmerksamkeit schenken würden, Allein 
auch der Sozialismus bietet keine Gewähr gegen Vetternwirt- 
schaft, und die Unmöglichkeit eines genauen Wertkalküls 
wird die Einschätzung der Neuerungsvorschläge durch die 
höheren Beamten aufs äußerste erschweren. Aber auch bei 
der glücklichsten Besetzung der höchsten Ämter bleibt doch 
die Gefahr, daß jede Neuerung nur an einer bestimmten 
Stelle geprüft werden kann. Um wie viel mächtiger erscheint 
in dieser Hinsicht die kapitalistische Gesellschaft dank dem 
Umstand, daß die Konkurrenz der einzelnen Kapitalisten sie 
dazu antreibt, jede sich bietende glückliche Neuerung sich so 
schnell wie möglich zu eigen zu machen! Ja, der Neuerer 
selbst kann über Kapital verfügen oder in der Lage sein, zur 
Verwirklichung seiner Idee Kredit zu erlangen. 
Wäre es also der sozialistischen Wirtschaftsorganisation 
gelungen, stabile Formen anzunehmen, so würde sie sich 
Jurch einen ungeheuren Konservatismus und Trägheit aus- 
zeichnen. Sie würde nichts darbieten, was dem ewigen 
Flusse des Wirtschaftslebens in der kapitalistischen Gesell- 
schaft an die Seite gestellt werden könnte. 
Gewährt der Sozialismus also der Initiative auf dem Ge- 
biete der Produktion keinen Spielraum, so ist er noch weni- 
ger imstande, die Freiheit im Bereiche der Konsumtion zu 
sichern. Schon daraus, daß der Sozialismus die Produktion 
organisiert, ohne sich nach der Willensäußerung der Ver- 
braucher, wie sie sich auf dem Markte kundgibt, orientieren 
zu können, schon aus diesem Umstande geht die Tendenz, 
des Sozialismus zu einer autoritär-vrormundschaftlichen Ver- 
teilung der Wirtschaftsgüter hervor. Gewiß, ein beträcht- 
licher Teil der Marxisten pflegt sich als Sozialisten im eigent- 
TE
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.