Psychische Isolierung.
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Prostitution vorzubeugen oder wenigstens das entstandene z. B.
durch großartige Findelhäuser zu mildern®. Während die Pro-
testanten umgekehrt sich mit dem durch Fleiß und gutes Be-
tragen erworbenen Reichtum ihrer Glaubensgenossen brüsteten
und z. B. auf den stark irisch-katholischen Einschlag der
Londoner Armenbevölkerung hinwiesen. Misere stehe allen
Lastern nahe*. Somit schreibt jede Religion sich die innere
Kraft zu, das Moralproblem einer natürlichen Lösung zuführen
zu können; denn für die Protestanten brauchten die elenden
Katholiken nur brave und fleißige Protestanten, und für die
Katholiken brauchten die elenden Protestanten nur brave und
sittliche Katholiken zu werden, um sich dem Elend und mit
ihm dem Laster zu entziehen. Denn Elend und Laster würden
dann bloß noch konfessionelle Akzidentien sein.
2. Psychische Isolierung.
Der Umfang sozialer Isolierung ist häufig Kriterium des
Umfangs sittlicher Gefahren. Daher die Gefährdung des allein-
stehenden jungen Mädchens.
Unter diesem Gesichtspunkt wird für die Frage der Ent-
stehungschancen hoher Unehelichkeitsziffern sowie der Prosti-
tution zunächst die Verwaisung eine große Rolle spielen. Auf
diesen Umstand wurde hinsichtlich der unehelichen Mütter be-
reits im Kommissionsbericht über einen Gesetzentwurf zur
Organisation der Findelhäuser in Frankreich 1849 aufmerksam
gemacht!®. In seinen Untersuchungen über die Frankfurter
Verhältnisse hat Spann (1909) festgestellt, daß über drei Viertel
der unehelichen Mütter vaterlos waren oder von ihrer Familie
3 Margotti, S. 5154f.
3 „A Londres ce sont les Irlandais catholiques qui sont dans la misöre
et le vice.“ (Napoleon Roussel, Les Nations catholiques et les Nations
protestantes, Paris 1854, Meyrueis, vol. II, p. 433.)
10 Lamothe, S. 1230.