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Dritter Teil.
ment öffentlicher Unsicherheit entstanden sei!%. In Frankreich,
wo dergleichen kodifizierte Bestimmungen nicht bestehen,
haben freigesinnte Richter versucht, auf Grund des schwam-
migen $ 1382 des Code Civil (Tout homme qui cause par sa
faute ä autrui un prejudice en doit la reparation dans la mesure
de ses torts) Remedur eintreten und den schuldigen Bräu-
tigam zur Verantwortung ziehen zu lassen!!,
Die Erzeugung von Brautkindern vermag aber auch eine
gewollte, bewußte, methodische zu sein. Auch braucht das
bäuerliche voreheliche Zusammenleben häufig nach der Geburt
des Kindes nicht einen ehelichen Abschluß zu finden, da das
Zeugungsgeschäft ohnedies seinen Fortgang nehmen kann1!2,
Dann kommt es zur Entstehung unehelicher Brautkinder-
reihen. Über den Umfang dieser Sitte in Deutschland klärt
ein von den protestantischen Sittlichkeitsvereinen auf An-
vegung des Pastors C. Wagner in Pritzerbe (Mark Branden-
burg) herausgegebenes (von uns bereits erwähntes) Enqueten-
werk über „Die geschlechtlich-sittlichen Verhältnisse der evan-
gelischen Landbewohner im Deutschen Reiche“ (2 Bände, 1895
bis 1896) auf!3, Schon früher wußte man längst, daß in Bayern
und Österreich der Geschlechtsverkehr unter Liebesleuten in
bäuerischen Kreisen gang und gäbe war. In Frankreich ist
das bäuerliche Brautkindersyvstem ebenfalls nicht völlig un-
0 Ernest Belfort Bax, Essays in Socialism New and Old, London
1906, Grant, p. 266, 270, 278; Max O’rell. John Bull and his Island.
London, Leadenhall, p. 117.
“ Henry Leyret, Les jugements du president Magnaud, r&unis et
comment6s, Paris 1900, Stock, p. 111.
1? Siehe 8. 168 unseres Buches.
13 Vgl. ferner C. Wagner, Die Sittlichkeit auf dem Lande, Berlin
1895. Von unzähligen Schriftstellern wiederholt und ausgebeutet. Erheblich
Neues für Deutschland noch bei Wilhelm Schallmeyer, Vererbung und
Auslese im Lebenslauf der Völker, Eine staatswissenschaftliche Studie auf
Grund der neueren Biologie, Jena 1903, Fischer, S. 361.