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standen, den die öffentlichen Körperschaften zwangsweise aus der Wirtschaft herausziehen, wobei in erster
Linie an die Steuern und in zweiter Linie an die steuerähnlichen Bestandteile der Gebühren, Erwerbs-
einkünfte usw. gedacht wurde, Für die Beurteilung der gesamten Finanzwirtschaft, vor allem für die
Frage der Verteilung der öffentlichen Last, ist es zwar von größter Bedeutung, auf welche Weise die zur
Deckung des Finanzbedarfs erforderlichen Mittel aufgebracht werden. In dieser Arbeit soll aber gezeigt
werden, daß Zweck und Art der Verwendung dieser Mittel für die Beurteilung des Verhält-
nisses zwischen Staatswirtschaft und privater Erwerbswirtschaft mindestens von der
gleichen Bedeutung sind. Ehe die Frage des Belastungsvergleiches — einerlei, ob hierbei die Steuern
oder die Ausgaben zugrunde gelegt werden — überhaupt wissenschaftlich diskutiert werden kann, ist
demnach eine vergleichende Untersuchung der finanzwirtschaftlichen Struktur der einzelnen Länder
durchzuführen, Dies ist nur möglich, wenn man sich unter den volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten
an Hand der Etats und der Fachliteratur ein Bild der öffentlichen Organisation und der öffentlichen
Wirksamkeit macht, wenn man also zur Staatenkunde der Kameralisten seine Zuflucht nimmt.
Auf die übrigen Probleme des Belastungsvergleichs kann hier nur ganz kurz hingewiesen werden. Der
Belastungsvergleich hat nicht nur die Verwendung der Steuern zu berücksichtigen, sondern muß vor
allem auch die Leistungsfähigkeit, etwa ausgedrückt durch den Überschuß des Volkseinkommens
über das Existenzminimum, in Rechnung stellen. Doch wird hierauf noch in anderem Zusammen-
hang (vgl. S. 14 und besonders S, 442ff.) näher eingegangen werden,
Einer so angelegten Finanzstatistik kommt aber noch die Erfüllung weiterer Aufgaben zu. Ebenso
wie man durch Verbrauchsberechnungen und -schätzungen ein Bild darüber zu gewinnen sucht, wieviel
von einem Volk für Ernährung, Kleidung, Wohnung, Genußgüter usw. aufgewandt wird, sind derartige
Ermittelungen aber gerade auch für den Bereich der öffentlichen Wirtschaft von besonderer Bedeutung,
um so mehr, als hier die bewußte Entscheidung der zuständigen politischen Instanzen an die Stelle des
»freien Spiels des Marktes« tritt. Für die Beschlüsse, die die Parlamente und die anderen in Frage
kommenden Instanzen über den Ansatz und das Ausmaß der öffentlichen Leistungen zu fassen haben,
ist es von großer Wichtigkeit, sich über die Aufwendungen für die einzelnen Zwecke öffent-
licher Wirksamkeit im Vergleich zu anderen Ländern Rechenschaft zu geben. Ja, man kann sagen,
daß ohne eine Klärung der Höhe der Aufwendungen für die einzelnen öffentlichen Aufgaben eine be-
wußte Finanzpolitik kaum möglich ist. Daher ist wenigstens annäherungsweise zu ermitteln, wieviel in
einem Volke für öffentliches Bildungswesen und Gesundheitspflege, für Rüstungszwecke usw, aufgewandt
wird, Unmittelbar aus den Etats gehen aber diese Angaben wegen ihrer rein verwaltungsmäßigen
Gliederung nur unvollständig hervor, Deswegen ist es eine Aufgabe der Finanzstatistik, in international
vergleichender Betrachtung die öffentlichen Aufwendungen nach den verschiedenen öffentlichen Zwecken
gesondert darzustellen.
Aus den geschilderten Zielen der Untersuchung ergibt sich für die Bearbeitung ein doppelter Gesichts-
punkt. Das Herausarbeiten der großen Unterschiede in der Struktur der Staatsausgaben bedingt die
Notwendigkeit, die mannigfaltigen Tatsachen der Staatsfinanzen auf möglichst wenige Zahlenreihen zu
konzentrieren. Umgekehrt erfordert der Versuch, einen Einblick in die verschiedenartigen Tätigkeits-
bereiche der Staaten zu gewinnen, daß gerade auch die Einzelheiten besonders hervorgehoben werden
und nicht in großen Summenzahlen untergehen, Durch diesen Nachweis der im einzelnen so unter-
schiedlichen Zusammensetzung der Staatsausgaben werden gleichzeitig die Grenzen aufgezeigt, die der
Vergleichbarkeit der großen Summen, die allen Finanzbelastungsvergleichen überhaupt gesetzt sind.
Die Lösung der hier für die Finanzstatistik entwickelten Aufgaben wird jedoch durch eine Reihe grund-
sätzlicher und praktischer Schwierigkeiten beeinflußt.
Hl. Die Schwierigkeiten der international vergleichenden Finanzstatistik.
a. Schwierigkeiten in der Beschaffung der Quellen.
Da die einzelnen Länder keine eigenen Finanzstatistiken haben, die zu Vergleichen verwendet werden
könnten, mußte auf die Budgets selbst zurückgegangen werden, Als Unterlage konnten dafür nur die Re-
gierungsentwürfe in Frage kommen (vgl. S. 14 ff.). Die Schwierigkeiten begannen schon mit der Beschaf-
[ung der Budgets, Es wäre an sich erforderlich gewesen, für den Vorkriegsvergleich die Ergebnisse mehre-
rer Jahre zugrunde zu legen, um die Entwicklungstendenz hervortreten zu lassen. Tatsächlich war es nicht
einmal möglich, für alle zu bearbeitenden Länder auch nur die Etats des letzten Vorkriegsjahres zu beschaf-
fen. Aus diesem Grunde ist für Großbritannien das Budget von 1912/13, für Frankreich das Budget von
1914”), für Belgien das Budget von 1913, für Italien dasjenige von 1913/14 zugrunde gelegt worden. Der
*) Bei der Bearbeitung des französischen Voranschlages für 1914 lag eine besondere Erschwerung darin, daß für dieses Jahr die »Döveloppe-
nenise nicht zur Verfügung standen, die durch Untergliederung der »Chapitres«, der kleinsten Einheiten des Budget General, in sArticless
aäheren Aufschluß über die Zusammensetzung der im Budget General enthaltenen Posten geben.