Full text: Weltwirtschaftliche und politische Erdkunde

270 GEOGRAPHISCHE STAATENKUNDE 
Punkt der bekannten vierzehn Wilsonschen Forderungen von neuem erklang. 
Es hat im Gegenteil seine seebeherrschende Stellung während des Krieges 
in allen drei Weltmeeren erheblich zu verstärken und zu befestigen versucht! — 
der Traum der Welt von der „Freiheit des Meeres“ ist auf lange Zeit begraben. 
Ob einmal der große Rivale jenseits des Ozeans dazu berufen sein wird, jenen 
Traum zu erfüllen, ein neues Zeitalter des freien Weltmeeres heraufzuführen? 
Handelsstaaten. Auch die nicht selbstgenügsamen Staaten, ja ge- 
rade die, deren Wirtschaft nach der einen oder anderen Richtung ein- 
seitig entwickelt ist, haben einen Überschuß an gewissen Waren, die 
anderen Staaten fehlen. In diesem Sinne sind fast alle Staaten „Über- 
schußstaaten“. Dieser Zustand ist die Grundlage für einen fort- 
währenden und heute die ganze Welt umfassenden Warenaustaus ch, 
der sich im Handel vollzieht. Demnach sind auch alle Staaten mehr 
oder weniger Handelsstaaten. Naturgemäß sind an diesem Handel 
diejenigen am meisten beteiligt, die die meisten Güter erzeugen, das 
sind aber die wirtschaftlich am höchsten entwickelten und zugleich die 
größten Staaten. Großbritannien, die Union, Deutschland, Frank- 
reich, Japan und Italien stehen an der Spitze. 
Weiter aber werden auch diejenigen Staaten einen bedeutsamen 
Handel aufweisen, die in einer für den Warenaustausch beson- 
ders günstigen geographischen Lage sind. 
Nach den obengenannten Staaten folgen im Gesamtwerte des Außenhandels 
Holland und Belgien, die beide sowohl für den überseeischen Verkehr wie 
für den Durchgangsverkehr außerordentlich günstig gelegen sind. — Ferner sei 
erinnert an die Rolle, die Venedig und die Hansastädte im mittelalterlichen 
Handelsleben gespielt haben. Von den Hansastädten haben drei deutsche — 
allerdings nur unter dem Schutz des Deutschen Reiches -— ihren Charakter als 
Handelsstaaten bis auf den heutigen Tag bewahren können?. Daß dabei die Be- 
deutung der Ostseöstadt Lübeck weit hinter der der Nordseestädte Hamburg 
und Bremen zurückblieb, zeigt deutlich, welche entscheidende Rolle in ihrer 
Handelsstellung die geographische Lage spielt. — Ein weiteres Beispiel ist Nor- 
wegen, das vermöge seiner günstigen Küstenentwicklung und seiner Lage am 
ffenen Atlantischen Ozean im Welthandel eine Stellung einnimmt, die in gar 
keinem Verhältnis zu seiner Größe, seiner Bevölkerungszahl und seiner wirt- 
schaftlichen Entwicklung steht. Norwegens Handelsflotte stand vor dem Kriege 
an vierter und steht heute an siebenter Stelle unter allen Handelsflotten der Erde 
(s. S. 194). — Andrerseits kann eine absichtliche Unterbindung des Handels selbst 
in solchen Staaten, deren geographische Lage und wirtschaftliche Verhältnisse 
dafür günstig sind, einen merkwürdigen Zustand entstehen lassen. So hatten 
bekanntlich bis vor verhältnismäßig kurzer Zeit die drei ostasiatischen Mächte 
Japan, China und Korea nur einen Binnenhandel, aber keinen Anteil am Welt- 
warenaustausch. China hat seine Häfen erst 1842, Japan 1852 und Korea gar 
arst 1876 dem Handelsverkehr mit dem Ausland geöffnet. 
Die Verkehrsentwicklung der Staaten. Wie bereits erwähnt, geben 
die Verkehrsverhältnisse einen wichtigen Gradmesser für die Beurteilung 
der wirtschaftlichen Entwicklung eines Staates ab. Zunächst dienen 
Eisenbahnen und schiffbare Wasserstraßen — Flüsse und Kanäle 
— dem Austausch und der Verteilung der Güter innerhalb eines Staates. 
Sie erhalten das gesamte wirtschaftliche Leben im Gang, und die letzten 
! Vgl. R. Reinhard, Das neue Bild der Weltkarte 8. 151, 
? Auch der durch Losreißung von Deutschland entstandene neue Stadtstaat Danzig ist in 
seiner Existenz im wesentlichen auf den Handel antewiesen.
	        
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