nalisierung aufs Allerschwerste geschädigt. Den betreffenden Gemeinden
fehlen in erster Linie die früheren Steuereinnahmen, denen vielfach in-
folge der jetzt noch bestehenden großen Arbeitslosigkeit erhöhte Aus-
gaben für Armenlasten, Wohlfahrtsfürsorge und dergleichen gegenüber-
stehen. Geschäftsleute, welche sich bei Errichtung der betreffenden
Werke dort niedergelassen und in den meisten Fällen auch Grundstücke
erworben haben, sind ruiniert, weil die in den Ortschaften verbliebene
Bevölkerung nicht mehr kaufkräftig ist. Bemühungen der Gemeinden,
andere Industrien an Stelle der stillgelegten Kaliindustrie anzusiedeln.
sind fehlgeschlagen.
Die Arbeiter, d. h. soweit es sich um junge Arbeiter oder um
Arbeiter im mittleren Alter handelt, sind zum geringen Teil auf anderen
Kaliwerken und auch in anderen Industrien untergekommen. Infolge
der Wohnungskalamität müssen die meisten der abgewanderten Arbeiter
von ihren Familien getrennt leben. Frauen und Kinder wohnen noch
in den Werks- oder Privatwohnungen der betreffenden Gemeinden,
während der Vater sonstwo arbeitet und nur in der Woche einmal des
Sonntags, vielfach bei weiten Entfernungen auch nur monatlich einmal,
nach Hause kommt, um nach ein- bis zweitätigem Aufenthalt wieder
abzureisen. Wohnungen stehen in den von der Stillegung betroffenen
Gemeinden nicht leer, weil die Familien der Arbeiter noch dort sind.
Dagegen sind einige Wohnhäuser von der Gewerkschaft Ronnenberg II
in Groß-Häuslingen und von der Gewerkschaft Wilhelmine in Hülsen
a. d. Aller abgebrochen, weil dieselben längere Zeit leer standen und
schon halb verfallen waren.
Jetzt konzentriert sich die Kaliindustrie im Werragebiet. Infolge
der dort ebenfalls herrschenden Wohnungskalamität müssen die Arbei-
ter weite Strecken zur Arbeitsstelle zurücklegen. Der Betriebsrat der
Gewerkschaft Kaiseroda I und II in Merkers hat festgestellt, daß die
Arbeiter aus 173 Orten nach dort zur Arbeit kommen. Viele Arbeiter
bleiben die Woche über in den Wohn- und Schlafhäusern, um die weiten
Anmarschwege zu sparen. Während der Inflationszeit haben die Arbei-
ter, welche dort keine Wohnung haben, in Baracken wohnen müssen.
Die Zustände sind damals so skandalös gewesen, daß sich wiederholt
die Öffentlichkeit damit beschäftigen mußte. Jetzt ist vieles besser
geworden, es sind massive Schlafhäuser und Ledigenheime errichtet,
und durch Inangriffnahme einer intensiven Bautätigkeit wird von den
Werken alles getan, um wenigstens die schlimmsten Übelstände zu
beseitigen.
Durch die Stillegung haben viele Zwangspensionierungen statt-
gefunden, d.h. Kaliarbeiter, die entsprehend den Bestimmungen des
Reichsknappschaftsgesetzes das 55. Lebensjahr erreicht hatten und den
Nachweis erbringen konnten, daß eie während dieser Zeit mindestens
15 Jahre bergmännische Arbeit verrichtet haben, wurden von der
Reichsknappschaft pensioniert. Dafür kamen jedoch nur Bergarbeiter
in Betracht. Bei den Übertags- und Fabrikarbeitern hat diese Vor-
schrift keine Anwendung gefunden, weil eben die 15 Jahre bergmän-
nischer Tätigkeit nicht nachgewiesen werden konnten. Der allergrößte
Teil dieser Arbeiter der etillgelegten Werke ist heute noch arbeitslos.
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