Vergemeinschaftung und Gemeinschaft, 211
als „Verbesserung des ihn betreffenden Interessengesamtzustandes“ denkt.
Jede „Behauptung“ ist also, woferne sie „Urteil“ ist, insoferne absicht-
licher mittelbarer Ausdruck des behaupteten Gedankens, als sie als wir-
kende Bedingung dafür in Betracht kommt, daß eine andere Seele den
wahren Gedanken gewinnt, der behauptete Gedanke stehe als ein dem
Behauptenden zugehöriger Gedanke in einem besonderen Verhältnisse
zu seinem Behauptungs-Wollen. Sagen wir also, daß „Urteilen“ ein
„Gedanken ausdrücken“ ist, so meinen wir eigentlich, daß „Urteilen“
ein „Gedanken mittelbar ausdrücken“, jedoch als „Behaupten“
ein „Behauptungs-Wollen unmittelbar ausdrücken“ ist. Hin-
gegen ist jede „Lüge“ zwar auch als „Behauptung“ „Ausdruck“ eines Be-
hauptungs-Wollens, aber nur „Schein-Ausdruck“ eines Gedankens. So-
wohl das „Lüge-Streben“ als auch das „Heuchel-Streben“ ist ein „Fäl-
schungs-Streben“, nur zielt der .„nach eigener Lüge Strebende“ auf eine
Fälschung, welche die wirkende Bedingung dafür abgeben wird, daß
eine andere Seele den irrigen Glauben an einen absichtlichen Aus-
druck gewinnt, während der „nach eigenem Heuchel Strebende“ auf
eine Fälschung zielt, welche die wirkende Bedingung dafür abgeben
wird, daß eine andere Seele den irrigen Gedanken an einen trieb-
haften Ausdruck gewinnt. Hat ein „Lügen“, d. h. ein „Gedanken
Scheinbar ausdrücken“ Erfolg, so wird dem Adressaten auch ein „Urteil-
Glaube“, aber eben ein „irriger Urteil-Glaube“ zugehörig. Jedoch kann
Selbstverständlich je nach dem der anderen Seele zugehörigen Umstände-
gedanken jemandes „Urteilen“ entweder einen wahren Urteil-Glauben
oder einen unwahren Lüge-Glauben der anderen Seele, und jemandes
„Lügen“ entweder einen unwahren Urteil-Glauben oder einen wahren
Lüge-Glauben der anderen Seele herbeiführen. Jede „Behauptung“ ist
also nicht nur „Behauptungs-Glaube-Werbung“, sondern auch „Urteil-
Glaube-Werbung“, und zwar entweder „Urteil“ oder „Lüge“ inso-
ferne, als sie vom Behauptenden als Mittel dafür gedacht wurde, in der
anderen Seele einen wahren oder unwahren Urteil-Glauben zu wecken,
Als „Werbung-Seelenaugenblick“ bezeichnen wir aber jeden
Seelenaugenblick, in welchem jemand darauf zielt, einer anderen Seele
besonderes Seelisches dadurch zugehörig zu machen, daß er ihr zu-
nächst den Glauben weckt, der Tätige wolle ihr solches Seelisches
Zugehörig machen, „Werben“ nennen wir das solchem Seelenaugen-
blicke gegebene „eigene gegenwärtige Leisten“, „Werbung“ nennen
wir jenes Körperliche, welches ein „Werber“ verwirklicht, damit der
anderen Seele durch dessen Wahrnehmung besonderes Seelisches zu-
gehörig werde. Hingegen nennen wir „Anregung-Seelenaugen-
blick“ jeden Seelenaugenblick, in welchem jemand darauf zielt, einer
anderen Seele besonderes Seelisches zugehörig zu machen, ohne daß
56 Zunächst den Glauben an solches Wollen des Tätigen gewinnt
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