380 VI. Kapitel. Die Macht. a
kende Bedingung einer Verschlechterung des den Verpflichteten be-
treffenden Interessengesamtzustandes abgeben kann, hingegen eine „auto-
nome Pflicht“ vorliege, wenn die Lage derart ist, daß durch Erfahrung
des Verpflichteten selbst von besonderem eigenen Verhalten der ihn
betreffende Interessengesamtzustand verschlechtert wird. Aber ganz
abgesehen von dem Umstande, daß die sogenannte „heteronome Pflicht“
stets durch jemandes Anspruch begründet ist, hingegen die sogenannte
„autonome Pflicht“ durch niemandes Anspruch, ja nicht einmal kraft
jemandes Wollen begründet ist, da „Gewissen“ ein Allgemeines darstellt,
das nicht beanspruchen kann, abgesehen also von diesem Umstande, gibt
es noch andere Lagen, auf welche jene etwa versuchte Bestimmung
von „Pflicht schlechtweg“ passen würde. So kann z. B. in der Welt
eine Lage bestehen, welche die Gesamtheit jener Allgemeinen enthält,
die als grundlegende Bedingungen dafür in Betracht kommen, daß A
durch die Erfahrung, B habe jetzt seine Wohnung verlassen, zu dem
Entschlusse kommt, in die Wohnung des A einzubrechen, aber es wird
kaum jemand behaupten wollen, daß diese Lage eine „Pflicht“ des A,
zu Hause zu bleiben, darstelle. Ein Versuch, solches Allgemeines zu
bestimmen, dessen Besonderheiten nur „autonome Pflicht“ und „hetero-
nome Pflicht“ wären, ist also zum Scheitern verurteilt, und das Wort
„Pflicht“ kann nur jene bereits zergliederte Lage bezeichnen, welche
auch das Wort „Sollen“ bezeichnet, Die Antithese „autonome Normen —
heteronome Normen“, „autonome Pflicht — heteronome Pflicht“ ist also
zu streichen, da es nur „heteronome Pflichten“ gibt, also „Pflichten“,
die dadurch begründet wurden, daß an den nunmehr „Verpflichteten“
jemand Anderer einen Anspruch gerichtet hat.