_ Staats-Gesellschaft, Rechts-Gesellschaft und Wirtschafts-Gesellschaft. 531
ohne Ander-Soll-Behauptung, also kein „Gesetz“ (= „kein Anspruch‘),
aber doch ein „,Antrag‘‘ vorliegt. Sieht man also in den ‚,Verfassungen‘‘
sogenannte „leges imperfectae‘‘, so müßte man zu der Behauptung
stehen, daß mit den Verfassungen an die gesetzgebenden Körperschafts-
Gesamtheiten keine „Ansprüche“, sondern entweder nur „Eigen-Wunsch-
bzw. -Furcht-Behauptungen‘‘ oder ‚„‚,Anträge‘‘ gerichtet werden. Im
Rahmen einer „Allgemeinen Gesellschaftslehre‘‘ kann keine Ent-
scheidung der hier aufgeworfenen wichtigen besonderen gesellschafts-
wissenschaftlichen Fragen geboten werden, die umfassende Sonder-
Untersuchungen voraussetzen würde, Es sei nur angedeutet, daß die
Auffassung der Verfassungsgesetze als an die gesetzgebenden Körper-
schafts-Gesamtheiten gerichteter Ansprüche auch noch auf andere große
Schwierigkeiten stößt, die sich aber überwinden lassen, wenn man zu
der Erkenntnis kommt, daß mit den Verfassungen Ansprüche vorliegen,
die an die Regierungs- und Vollzugsbeamten gerichtet sind und mit
welchen schließlich darauf gezielt wird, die ‚„Gesetzgebungsmacht‘“ be-
sonderer Körperschafts-Gesamtheiten zu beschränken. Jedenfalls kann
aber in diesem Zusammenhange darauf verwiesen werden, daß auch
die „Verfassungslehre‘““ nur auf dem Boden einer „Allgemeinen Ge-
sellschaftsiehre‘“ die ihr gestellten Fragen klar zu beantworten vermag,
daß also ohne klares Wissen um die Gegebenen ‚, Verhalten-Werbung“‘
und „Verhalten-Werbung-Entsprechung‘“ auch eine wissenschaftlich
haltbare Verfassungslehre nicht möglich. ist.
Als besondere „Staatsfunktion“ wird auch stets neben der „Gesetz-
gebung“ und der „Verwaltung“ die „Rechtsprechung“ angeführt,
während die „Gesetzgebung“ meist als „Rechtssetzung“ betrachtet
wird. Mit der Behauptung, daß es der Staatsherrscher sei, der „Recht
setze“ und über dessen Befehl „Recht gesprochen“ werde, geht man
von der Meinung aus, daß ‚Staat‘ und „Recht“ in einem Wirkens-
zusammenhange zu finden sind, in welchem der „Staat“, d.h. der
„Staatsherrscher‘““ wirkt, das „Recht‘ hingegen die Wirkung abgibt.
Indes ist solche Meinung, wie allgemein bekannt ist, bei weitem nicht
unbestritten, vielmehr gehört die Streitfrage nach der Beziehung von
„Staat“ und „Recht“ zu jenen Streitfragen, welche schier unerschöpf-
lich viele Antworten finden, von denen aber keine einzige bisher den
Streit beendet hat. Da in diesem Zusammenhange weder eine „All-
gemeine Staatslehre‘‘ noch eine „Allgemeine Rechtslehre“ zu entwerfen
ist, vielmehr lediglich gezeigt werden soll, welche Bedeutung die „Al-
gemeine Gesellschaftslehre‘‘ für jene anderen Lehren hat, ist hier auch
nicht der Ort, um die Suche nach einer Antwort auf die Frage nach
der Beziehung von „Staat‘““ und „Recht“ in der erwünscht umfassenden
Weise aufzunehmen, insbesondere aber nicht der Ort, die bisherigen
Antworten kritisch zu betrachten. Jene Antworten können aber etwa
YAM