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1X. Kapitel.
herrscherbefehle“, oder auch die „ungültigen staatlich gemeinten Be-
fehle“ „staatlich gesetztes Recht“ darstellen. Da man statt „positives
Recht“ auch „geltendes Recht“ sagt, mag angenommen werden, daß
man als „staatlich gesetztes Recht“ nur die „gültigen staatlich gemeinten
Befehle“, also die „Staatsherrscherbefehle“ betrachtet, bei welcher An-
nahme freilich wieder zu bemerken ist, daß auch hinsichtlich des Sinnes
des Wortes „Geltung“ Unklarheit herrscht, insbesondere der „geltende
Anspruch“ als „erfüllter Anspruch“ mit dem „Pflicht begründenden An-
spruche“ verwechselt wird. Sind nun aber zweitens nur die „Staats.
herrscherbefehle“ „staatlich gesetztes Recht“, so erhebt sich wieder die
Frage, ob alle „Staatsherrscherbefehle“ „staatlich gesetztes Recht“ sind
oder nur besondere Staatsherrscherbefehle. Steht man zu der An-
sicht, daß alle Staatsherrscherbefehle „Recht“ sind, so behauptet man
die „Identität von Staatsherrschaft und staatlich gesetztem Rechte“, und
weiter, wenn man nur „staatlich gesetztes Recht“ kennen will, eine
„Identität von Staatsherrschaft (Staat) und Recht“. In solchem Falle
wird also „Recht“ als besondere „Macht“ bzw. als „Herrschaft auf Grund
besonderer Macht“ bestimmt. Ganz abgesehen nun von der Frage,
wie mit der Gleichung „Staat== Recht“ („Recht= Staat“) die Behauptung
vereinbar ist, daß es ein „überstaatliches“ Recht, nämlich das sogenannte
„Völkerrecht“ gibt, muß aber darauf hingewiesen werden, daß in der
Gleichung „Staat= Recht“ nicht eine besondere Bestimmung des Ge-
gebenen „Recht“ vollzogen ist, vielmehr nichts anderes als die Ver-
bindung eines neuen Sinnes mit dem Worte „Recht“. Denn daß bei
weitem nicht alle „Staatsfunktionen“ „Recht“ genannt wurden, zeigt sich
in der Unterscheidung von „Gesetzgebung“, „Verwaltung“ und „Recht-
sprechung“, wobei eben nur die „Rechtsprechung“ mit dem „Rechte“
in Beziehung gebracht wurde, Nur durch eine falsche Bestimmung der
Gegebenen „Rechtsprechung“ und „Verwaltung“ können diese beiden
Gegebenen auf einen Nenner gebracht werden, nur infolge einer Ver-
wechslung der Gegebenen „Weisung kraft Wertung“ und „Weisung
kraft Auslegung“ kann der Schein erweckt werden, daß der Kampf
um den „Rechtsstaat“, insbesondere die F orderung‘ nach einer „Ver-
waltungsrechtsprechung“ („Verwaltungsgerichtsbarkeit“) im
Gegensatze zur bloßen Verwaltung ein „Windmühlenkampf“ war. Die
Gleichung „Staat= Recht“ ist aber ferner bereits aufgegeben, wenn trotz
dieser Gleichung die „Staatsakte“ in „rechtmäßige“ und in „rechts-
widrige“ Staatsakte eingeteilt werden. Ist nämlich die Gleichung „Staat=
Recht“ in Wahrheit eine Gleichung, und nicht eine Ungleichung, so
hat es offenbar gar keinen Sinn, von „rechtswidrigen Staatsakten“ zu
sprechen, es hat keinen Sinn, zu sagen, daß ein „verfassungswidrig‘“‘
beschlossenes Gesetz, das befolgt wird, „rechtswidrig“ ist, es hat gar
keinen Sinn, zu sagen, daß ein von einem bestochenen Richter TE