152
gelangen. Meinungsverschiedenheiten bestanden nur bezüglich der Art
der Forschung, die zu den Gesetzen führte, bezüglich des Umfanges
des nötigen Materials, der Quellen seiner Beschaffung usw. Aber
Einigkeit herrschte auf der ganzen Linie über den Sinn der For-
schung.
So kennzeichnet Roscher das Wesen seiner „geschichtlichen Me-
thode‘“ dahin!t, daß er bestrebt sein werde, „das Gleichartige in den
verschiedenen Volksentwicklungen als Entwicklungsgesetz zusammen-
zustellen‘, „aus der großen Masse der Erscheinungen das Wesent-
liche, das Gesetzmäßige herauszufinden, zu welchem Zwecke alle
Völker, deren man wird habhaft werden können, in wirtschaftlicher
Hinsicht miteinander zu vergleichen seien.‘“ Es ist die besondere Note
Roschers, daß sich bei ihm mit dem Begriff einer naturwissen-
schaftlichen Gesetzlichkeit der einer metaphysischen Gesetzmäßig-
keit mischt, die er für den wirtschaftlichen Gesamtprozeß in An-
spruch nimmt: das „Gesetz der großen Zahl“ läßt seiner Meinung
nach erkennen, wie die scheinbare Willkür der konkreten Einzelfälle
sich, sobaldı man auf das Ganze des ‘Zusammenhangs sehe, in
‚wunderbarer Harmonie‘ ausgleiche1.
So macht sich J. Kautz, der sich vor allem auf K. Knies stützt,
das Wort Alexander von Humboldts zu eigen: „Das letzte Ziel
menschlicher Forschung in den Erfahrungswissenschaften ist die
Auffindung von Gesetzen.‘ Und derselbe „historische‘‘ National-
5konom zitiert mit lebhafter Zustimmung die Äußerung eines „der
geistvollsten und gründlichsten Forscher unserer Gegenwart“
‘J. Bunsen): „Wenn den Astronomen die Beobachtung eines Teiles
der Planetenbahn in den Stand setzt, die ganze Krümmung seines
Kreislaufes zu zeichnen: sollten nicht so viel Jahrtausende der
geistigen Entwicklung mit ihren großen, urkundlich erkennbaren. Er-
scheinungen, mit ihrem nachweisbar-ursächlichen Zusammenhange
ıns befähigen, die Gesetze der Menschenbahn zu erkennen?“ 16 (1)
nk > ————
MM W, Roscher, Grundriß zu Vorlesungen über die Staatswirtschaft nach ge-
schichtlicher Methode. 1843. Seite IV, nn
15 Vgl. Max Weber, Roscher und Knies usw. in Schmollers Jahrbuch.
Band 27, S. 1188£., 1162. . .
1 J. Kautz, Die Nationalökonomik als Wissenschaft. 1857. S. 309.