Dazu kommt eine völlig undisziplinierte Gliederung des Stoffes,
die oft zu den gewagtesten Einteilungen führt; man unterscheidet:
Theoretische und Praktische Nationalökonomie, was sich ungefähr
mit der Einteilung der westlichen Nationen in Science und Art deckt;
daneben aber Allgemeine und Spezielle Nationalökonomie in willkür-
licher Verknüpfung mit dem erstgenannten Gegensatzpaare. Endlich
teilt man den Wissensstoff in Reine und Angewandte oder Reine und
Politische Sozialökonomie, Reine Sozialwirtschaftslehre und An-
yewandte Sozialwirtschaftslehre ein, was die fremden Sprachen als
Pure und Applique (applied) ausdrücken.
Endlich ist es ein besonderes Kennzeichen unserer Wissenschaft,
daß die verschiedenen Richtungen nach der sozialen Herkunft oder
den Weltanschauungen oder den politischen Standpunkten ihrer Ver-
treter bezeichnet werden. So haben wir eine christliche, insonderheit
katholische, eine liberale und eine sozialistische Nationalökonomie.
Wir unterscheiden daneben eine bürgerliche und eine proletarische
Nationalökonomie. Wir sondern die nationalökonomischen Systeme
Janach, ob sie schutzzöllnerisch oder freihändlerisch sind. Wir
sprechen von Klassikern, von Epigonen, von Romantikern und ihren
Lehren.
Der chaotische Zustand wird num aber erst dadurch herbeigeführt,
daß alle diese Unterschiede und Gegensätze wirr durcheinandergehen
md sich vielfach überschneiden. Meist weiß der Autor gar nicht,
welche Auffassung er eigentlich hat, welchen Standpunkt er eigent-
lich vertritt. Häufig vertragen sich die verschiedenen Ansichten über-
haupt nicht miteinander usw.
Wenn man nun den Versuch macht, die verschiedenen Lehren
unter - irgendwelchen innerlich begründeten Gesichtspunkten zu
ordnen, wie es etwa in einer Dogmengeschichte notwendig wird, so
ergibt sich die Unmöglichkeit dieses Unternehmens, und der wver-
zweifelte Zustand unserer Wissenschaft wird mit einem Male offen-
bar. Überblickt man die Gliederung des Stoffes, wie sie unsere besten
Dogmengeschichten vornehmen, so kommt man aus dem Staunen
nicht heraus über die Unbefangenheit, mit der sonst klare Denker
eine völlig unmögliche Anordnung vornehmen, die im Grunde eine
Unordnung ist, bei der jedes vernünftige principium divisionis fehlt,