Fünftes Kapitel
Die Vertreter der richtenden Nationalökonomie
und ihre Lehren
1. Die Scholastiker
a) Aristoteles
Wir können auch der scholastischen Nationalökonomie wie aller
scholastischen Philosophie nicht gerecht werden, wenn wir uns nicht
vorher mit den Lehren des Aristoteles bekannt gemacht haben.
Aristoteles ist ja derjenige Denker, der am tiefsten auch die
Probleme des Wirtschaftslebens erfaßt hat und der mit seiner Art
der Betrachtung auch für die Lehre von der Wirtschaft zweitausend
Jahre hindurch die Richtlinien vorgezeichnet hat.
Entscheidend für die Auffassung des Aristoteles ist der Ort,
wo er die wirtschaftlichen Dinge abhandelt. Das geschieht natürlich
im Rahmen seines philosophischen Systems, und zwar im „prak-
tischen‘ Teil, der die auf das Handeln bezüglichen und dieses nor-
mierenden Erkenntnisse enthält, und zwar im ersten Buche der „Po-
litik“. Auch inhaltlich ‘ist seine Wirtschaftslehre in das gesamte
ethisch-politische System eingegliedert, die ökonomischen Theorien
sind mit der allgemein-philosophischen Weltanschauung auf das
innigste verbunden. Darum gilt es zunächst der Wirtschaft einen
Platz auf der Stufenleiter der Werte anzuweisen. Daß diese eine
denkbar tiefe war, entsprach der Gesamteinstellung der Angehörigen
der griechischen Herrenschicht. Man hat zutreffend gesagt, daß die
alten Philosophen ihre Schüler den Reichtum vielmehr verachten,
als hervorbringen gelehrt haben. Sich mit wirtschaftlichen Dingen
befassen, galt als verächtlich. Unmöglich kann, meint Aristoteles,
wer das Leben ‚eines Handwerkers oder Lohnarbeiters führt, die
Werke der Tugend ausüben. Jedenfalls soll die Wirtschaft immer
nur Mittel sein. „Der Reichtum ist nützlich und ist um eines anderen
(eines Zweckes, der außer ihm liegt) willen da.“ Aristoteles ver-
gleicht ihn mit einer Flöte. Worauf es ihm vor allem ankommt, ist
die richtige Verwendung der Güter zu lehren. Deshalb unterscheidet
ar — und diese Unterscheidung bildet den Kernpunkt seiner Lehre