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von Anfang an grundsätzlich überhaupt ab, weil sie ihm verdächtig
war als eine Summe, wie er meinte, kleiner Mittelchen, die Lage
der Arbeiterschaft zu bessern, die schließlich hierdurch von der revo—
lutionär⸗antikapitalistischen Gegenfätzlichkeit, auf der die politische
Lehre Marx' beruhte, abgewendet werden könnte. In der Zwischenzeit
ist diese Ablehnung der Sozialpolitik immer mehr von der Sozial—
demokratie fallen gelassen worden, weil sie unter dem Einfluß der
Gewerkschaften nicht länger auf praktische Mittel der Verbesserung
der Arbeitnehmer auch in der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung
verzichten konnte und zudem der Glaube an die alsbaldige radikale
Durchführung der neuen sozialistischen Wirtschaftsordnung immer
mehr verblaßte. Wenn nun Heimann die Sozialpolitik als gewolltes
evolutionäres Fortschreiten zum Sozialismus betrachtet, so kann
gewiß mancher Beleg beigebracht werden, daß dieses Ziel manchen
mitwirkenden Kräften vorschwebt und diese in ihren Forderungen be—
stimmt; aber es kann dadurch doch die Berechtigung der Sozial—
politik nicht aufgehoben und auch der Wille der deutschen Unter—
nehmerschaft zu ihr nicht beseitigt werden; nur die Wachsamkeit
wird verschärft werden müssen, daß nicht unter der Marke der
Sozialpolitik sozialistische Politik getrieben werde, ein Gesichts—
punkt, der auch für die christlichen Gewerkschaften und vor allem
für die Staatsführung wichtig sein muß. Es bleibt die Aufgabe der
Sozialpolitik, die soziale Pflichterfüllung in der Privatwirtschafts—
ordnung und dadurch hinwieder auch diese zu sichern.
Dies gilt vor allem auf dem wichtigsten Gebiete, dem der
Arbeitspolitik. Die Gleichberechtigung beider Teile im
Arbeitsvertrag, auch im kollektiven Arbeitsvertrag, ist selbstverständ⸗
lich. Aber die Lohnpolitik muß Sache der Verantwortung der
beiden Vertragsteile bleiben. Die Aufgabe des Staates, mit seinem
Friedensgebot einzugreifen, muß in Voraussetzungen und Inhalt
enger begrenzt und an viel stärkere Voraussetzungen gebunden
werden, daß es sich hierbei wirklich um Verhütung eines äußersten
Notstandes durch einen Spruch handelt, der auch den Erfordernissen
und Leistungsmöglichkeiten der Wirtschaft genügt. Denn so wenig
das eherne Lohngesetz Lassalles gilt, nach dem der Arbeiter
immer nur an der Mindestgrenze des zur Reproduktion notwendigen
Existenzminimums sich bewegen muß, ebensowenig kann es ein
goldenes Lohngesetz geben, als ob das Arbeitsentgelt von
allen Schwankungen der Wirtschaftslage und ihrem Risiko frei sei