durchgeführt wurde, ist mehr als ein Kompliment an die
fremden Besucher; es ist ein Zeichen, daß Ras Taffari zu
europäischen Gebräuchen hinneigt. Wem aber der Sprung
vom Palast zum Wegrande für einen Vergleich zu groß ist,
der möge die Mahlzeiten beobachten, wie sie in den meisten
abessinischen Häusern, in den Tukuls, genommen werden.
Wir saßen dort auf der Erde um einen geflochtenen Tisch
herum, dessen Platte leicht nach innen geneigt war, um den
großen flachen Broten einen sicheren Halt zu geben. Sklaven
brachten die übrigen Bestandteile des Mahles herbei: ein
Gefäß mit Fleisch und einen Topf mit heißer und stark ge—
pfefferter Soße. Man pflegt ein Stück Brot abzubrechen,
es mit Fleisch zu füllen, in die Soße zu tauchen und die
ganze tropfende Masse so geschickt wie möglich in den Mund
zu befördern. Gabel, Löffel oder Teller werden dabei nicht
verwendet, nur ein Messer wird für den häufig vorkommen⸗
den Fall gegeben, daß das Fleisch in mächtigen Stücken —
entweder ein ganzes Lamm, ein halbes Schaf oder ein
Ochsenviertel — auf den Tisch kommt. Die abessinische Art,
ein Messer zu gebrauchen, erfordert eine für den Fremden
ebenso beneidenswerte wie unerreichbare Geschicklichkeit.
Ohne eine Gabel zum Festhalten des Fleischstückes ist man
gezwungen, so furchtlos wie man kann, einen Bissen in den
Mund zu nehmen und dann abzuschneiden, wobei zu be—
achten ist, daß der Schnitt der Sitte entsprechend nach oben
und nahe am Gesicht vorbei geführt werden muß.
Bei solchen Mahlzeiten in den Tukuls habe ich immer nur
Männer gesehen; vielleicht ist es üblich, die Frauen beim
Essen durch einen Vorhang vor dem Anblick — besonders
der Fremden — zu schützen. Man erzählt sich, daß Diene—
rinnen die Frauen wie kleine Kinder füttern, indem sie das