Bevölkerung in Unwissenheit über den kranken Zustand
Meneliks gehalten, niemand sah den großen Mann in seinem
lebendig-toten Zustand. Auch hat nach erfolgtem Ableben
keine öffentliche Beisetzung stattgefunden. Erst 1928 wurde
ein Mausoleum als würdige Ruhestätte für seine irdischen
Uberreste erbaut. So sorgfältig verbarg man vor seinem
Volke alles, was an das Ende Meneliks und seiner Macht
erinnern konnte.
Lidj Yassu, Meneliks Enkel und erwählter Nachfolger, be—
anspruchte im Jahre 19183, als er sechzehn Jahre alt geworden
war, die Herrschaft über das Reich. Seine Mißregierung
wäre gewiß noch schädlicher für sein Land gewesen, wenn er
sich nicht dem Islsam zugewendet und dadurch das Volk gegen
sich geeinigt hätte. Nach seiner Exkommunikation durch das
Kirchenoberhaupt, den Abuna, und seiner Absetzung im
Jahre 1916 wurde die Prinzessin Zauditu, die Tochter
Meneliks, als Kaiserin und Ras Taffari, sein Vetter, zum
Regenten für das äthiopische Reich ausgerufen. In ihren
Händen lag die Macht zwölf Jahre lang. Im Herbst 1928
wurde Ras Taffari König, doch nicht König der Könige; er
ist nur Negus, wird aber automatisch Negus-Negesti, sobald
die Kaiserin Zauditu vom Leben abberufen wird.“
In Abessinien ist es nicht anders wie bei allen anderen
fremden Kulturen, man wendet sich von täglichen Erlebnissen
und Beobachtungen zu Büchern und sonstigen Informations-
quellen und wieder zurück zu den realen Vorgängen, die dann
im Lichte der neuen Kenntnisse die Bedeutung lange be—
*Kaiserin Zauditu ist im Frühjahr des Jahres 1930 nach einer
wahrscheinlich infolge der Niederlage und des Todes ihres auf,
dhen Exgemahls Ras Gugsa (s. S. 185) eingetretenen Krankheit
estorben
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